Kur­d*in­nen in der Türkei: Die tragenden Säulen der Proteste

In der deutschen Berichterstattung über die Wahlen in der Türkei fehlt die kurdische Perspektive. Für Kurd*innen geht der Kampf weiter.

Eine Frau macht mit einer Hand das Siegeszeihcen, in der anderen hand trägt sie ein Fahne

Diyarbakir, 13. Mai: An­hän­ger*in­nen der Yeşil Sol Parti bei einer Wahlkampfveranstaltung Foto: Mehmet Masum Suer/ZUMA Wire/imago

Am späten Sonntagabend bin ich in einer verrauchten Hotellobby in Amed (Diyarbakır) in Südostanatolien. HDP-Mitglieder, Kan­di­da­t*in­nen der Yeşil Sol Parti und andere Oppositionelle treffen sich hier, rauchen, trinken Tee und schauen sich die Wahlberichterstattung im Fernsehen an. Ich bin hier, um die Wahlen vor Ort beobachten zu können. In Deutschland fehlt mir in vielen Medien die Perspektive des kurdischen Widerstands.

Ich erwarte keine Auseinandersetzung mit der Ideologie Öcalans auf tagesschau.de. Doch mehr Analysen der Strategien der linken Opposition wären notwendig, um besser verstehen zu können, weshalb sie zum Beispiel für ihr Bündnis mit einem rechten Präsidentschaftskandidaten wirbt und keine Alternative gewählt hat. Auch die Analysen nach der Wahl wären differenzierter.

In der Lobby kippt die Stimmung recht früh, als deutlich wird, dass das Ergebnis, anders als viele Prognosen vorausgesagt haben, nicht zugunsten des Bündnisses um Erdoğans Gegenkandidaten Kemal Kılıçdaroğlu ausgehen wird. Hoffnungsvoll hatte man diese Wahl erwartet. Jetzt müssen einige Oppositionelle zum Krisenstabstreffen, um Fehler zu analysieren.

Inzwischen habe ich aufgehört zu zählen, der wievielte Tee es ist, den ich trinke. Auch in dieser Wahlnacht in Kurdistan denke ich an die Kur­d*in Jina Amini und damit an die Revolution in Iran. Die Stärke der revolutionären Bewegung in den ersten Monaten der Jina-Revolution ist auch auf die Proteste und Streiks vergangener Jahre zurückzuführen. Die Repressionen des Regimes sind gravierend und zeigen Wirkung, wenn weniger protestiert wird.

Weltweite Solidarität

Immer mal wieder taucht auf Social Media ein Graffito aus Iran auf mit dem Motto der Revolution „Jin Jiyan Azadi“, Frau– Leben – Freiheit. Dieser Spruch stammt aus der feministischen kurdischen Freiheitsbewegung. Demnach ist eine Gesellschaft nur so frei wie die Frauen in ihr. Die kurdische Bewegung wurde in Iran ein Vorbild für den Kampf gegen das Regime. Kur­d*in­nen sind eine tragende Säule der Proteste. Vor der Wahl haben sich Ira­ne­r*in­nen kaum mit den Idealen der kurdischen Bewegung auseinandergesetzt. Doch es gab, und das war neu, viel Anerkennung für die Kur­d*in­nen und ihren Kampf, mit dem man sich solidarisiert hat.

Diese Solidarität erfährt die kurdische Bewegung weltweit. Sie hat es geschafft, mit Werten und Ideen für eine feministische, ökologische und geschlechtergerechte Welt bei vielen anzudocken. Auch wenn die Situation der kurdischen Bevölkerung in der Türkei und in Iran nur begrenzt vergleichbar ist, bleibt es bewundernswert, dass die Bewegung immer weitermacht.

Dass die Situation der Kur­d*in­nen und Minderheiten sich nach der Wahl in der Türkei verbessert hätte, das glaubt hier kaum jemand. Man hätte also auch über die Wahl hinaus nicht aufgehört, gegen Unterdrückung zu kämpfen. Wie das strategisch klug geht, dazu berät sich die Opposition vor Ort in diesen Tagen.

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