Lehren aus der Fußball-EM: Alle ein bisschen spanischer

Nach der EM ist vor dem Trainer-Kongress: DFB-Chefausbilder Frank Wormuth stellt die ersten taktischen Lehren aus dem Turnier in Polen und der Ukraine vor.

Viererkette: Spanien praktiziert das Pressing sogar auf der Tribüne. Bild: dapd

Mehr als 750 Fußballtrainer aus der ganzen Welt haben sich angesagt. Vom 30. Juli bis zum 1. August wird beim Internationalen Trainer-Kongress (ITK) in Augsburg vor allem die Analyse der Fußball-Europameisterschaft unter taktischen-technischen Gesichtspunkten im Mittelpunkt stehen. Einer der Dozenten: DFB-Chefausbilder Frank Wormuth. Er wird Erkenntnisse vortragen, die acht DFB-Trainer während der Spiele in Polen und der Ukraine gewonnen haben.

Ein wichtiges Ergebnis: Bei der Grundordnung hat sich endgültig das 4-2-3-1-System durchgesetzt, das je nach Ausrichtung in ein 4-3-3 abgewandelt wurde. „Das 4-4-2 mit Raute ist nur noch selten zu sehen“, erklärt Wormuth.

„Allgemein fiel auf, dass alle versuchten, ein bisschen spanischer zu spielen. Soll heißen: Mit einem vertikalen Spiel durch die Mitte, dann kommt erst der Ball nach außen.“ Während Trendsetter Spanien die Außenbahn nur noch mit einem einzigen, hoch stehenden Außenverteidiger besetzt, blieben die Flanken bei Deutschland oder den Niederlanden aus Prinzip noch doppelt belegt.

Wormuth urteilt, das Niveau dieser EM sei, gerade in der Vorrunde, deutlich höher gewesen als bei der WM 2010. „Für den Zuschauer am Fernseher mag das manchmal etwas langweilig ausgesehen habe, aber im Auge eines Trainers waren im Stadion alle Partien sehenswert.“

Balljagd als Philosophie

Aber: „Es gab keine großartigen Innovationen.“ Am ehesten hätten noch die Italiener mit ihrer 3-5-2-Formation im Gruppenspiel gegen Spanien überrascht, aber auch das sei nur eine „Neuinterpretation alten Gutes“ gewesen.

Interessant fand der Trainerausbilder die praktizierte Form des Angriffspressings: „Hatten Spanien, Portugal und Italien den Ball verloren, dann haben sie vier bis acht Sekunden den Ball gejagt, aber danach die Aktion abgebrochen. Gerade bei den Spaniern ist diese Balljagd eigentlich Teil ihrer Philosophie, weil sie das für ihren Tika-Taka-Stil perfektioniert haben, aber sie wirkten anfangs überspielt.“

Gestört hat sich Wormuth aber an der Debatte über den „falschen Neuner“ der Spanier: „Mit dem Begriff hat uns Trainer Vicente del Bosque in die Irre geleitet, denn ’falsch‘ ist hier schon falsch. Wer das genau analysiert, kommt auf einen variablen Neuner‘ – die Position war eben nur nicht ständig besetzt.“

Um differenzierte Betrachtung bittet der 41-Jährige, wenn es um die deutsche Mannschaft geht: „Wir sind die einzige Nation, die seit 2006 immer unter die letzten vier gekommen ist – und wieder hatten wir die jüngste Mannschaft. Für den nächsten Schritt braucht es noch mehr Erfahrung und mehr Vorbereitung. Wir haben noch nicht diese Automatismen wie die Spanier.“

Der Name des gebürtigen Berliners Wormuth fällt in diesen Tagen häufiger, wenn es um einen Nachfolger des zu Bayern München gewechselten DFB-Sportdirektors Matthias Sammer geht. Der seit 2008 für die DFB-Fußballlehrerausbildung zuständige Wormuth aber sagt lediglich, er gehe voll in seiner Arbeit auf. Die führt ihn aktuell gerade zur U19-Europameisterschaft nach Estland.

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