Leh­re­r*in­nen-Streik für kleine Klassen: Senat soll Wahlversprechen halten

3.000 Leh­re­r*in­nen demonstrieren vor dem Roten Rathaus. Sie erinnern die CDU an ihr Wahlversprechen über kleine Klassen zu verhandeln.

Die Gesichter von vielen menschen sind zu sehen, die für die GEW streiken. Über ihren Köpfen wird ein Schild gehalten. Die Aufschrift: "Rettet die Bildung, yolo".

Die GEW Berlin demonstriert für kleinere Klassen und die Gesundheit ihrer Lehrkräfte – wie bereits hier am ersten März Foto: Paul Zinken, dpa

BERLIN taz | Die angestellten Leh­re­r*in­nen Berlins machen ihrem Ärger lautstark Luft. „Wir sind viele!“, ruft ein Sprecher der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) in die in rote Westen gekleidete Menge. Rund 3.000 Streikende haben sich an diesem Mittwoch direkt vor der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie in der Nähe des Alexanderplatzes versammelt. Gleich geht die Demo los, zum Roten Rathaus. Sie wollen einen Tarifvertrag „Gesundheit“ durchsetzen, der unter anderem kleinere Klassen und mehr So­zi­al­ar­bei­te­r*in­nen fordert. Berlin will diesen „Sondertarifvertrag“ nicht unterschreiben – weil ein Alleingang als Land unmöglich sei.

Schon seit Oktober 2021 unterbrechen die angestellten Leh­re­r*in­nen an einzelnen Tagen immer wieder die Arbeit – ihre verbeamteten Kol­le­g*in­nen dürfen nicht streiken. Diese Woche sind es zum ersten Mal drei Streiktage in Folge, von Dienstag bis Donnerstag. Mit diesem langen Streik wollen sie Druck auf die neue Regierung ausüben. Wie sie sich nach so nun schon neun Streiks weiter motivieren? „Wenn ich nicht streike, kann ich mich nachher auch nicht über meine Arbeitsbedingungen beschweren!“, sagt Medea Gläser, Lehrerin in Reinickendorf. Ihr Unterricht fällt heute aus. „Wir kennen Kolleg*innen, die wegen Überarbeitung ihren Job aufgegeben haben“, sagt sie. Die meisten würden wegen des Stresses in Teilzeit gehen, heißt es aus der Runde.

Der Demonstrationszug führt die Leh­re­r*in­nen mit einem Schlenker nach Osten über den Platz der Vereinten Nationen, bis zum Strausberger Platz und wieder zurück Richtung Alex. Auf ihren Schildern ist zu lesen: „Stell dir vor es ist Schule und keiner geht hin“, oder: „Alle 11 Minuten bekommt eine Lehrerin ein Burn-out“.

Jetzt die Klassenstärke zu ­reduzieren, sei „völlig illu­sorisch“, sagte etwa die neue ­Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) zu den Forderungen. So sind aktuell rund 1.500 Vollzeitstellen an Berliner Schulen unbesetzt. Außerdem sei man im Tarif­verband der deutschen Länder (TdL) organisiert und ein Alleingang Berlins somit nicht möglich.

Martina Regulin, GEW Berlin

Wir brauchen Utopien für den Lehrerberuf, sonst will ihn keiner mehr machen.

„Keine Nebelkerzen zünden“

Beide Argumente lassen die Leh­re­r*in­nen nicht gelten. Es gäbe bereits jetzt Ausnahmen, sagt Tom Erdmann, Vorsitzender der GEW: „Die meisten beschäftigten im Berliner öffentlichen Dienst erhalten die Hauptstadt-Zulage“, führt er an, der Senat solle aufhören, Nebelkerzen zu zünden. Dass es zu wenige Lehrer gebe, sehen die Demonstrierenden ein, aber: „Auch wenn kleiner Klassen nicht sofort umgesetzt werden: Langfristige Politik ist für Abgeordnete immer unattraktiv, deswegen müssen wir das Ziel festschreiben“, betont eine Demonstrantin.

Als die Demo vor dem Roten Rathaus zu stehen kommt, gibt es Musik und die eigenen Forderungen werden bekräftigt. Laut GEW hat Bildungssenatorin Günther-Wünsch am Rand der Demo mit der Gewerkschaftsleitung gesprochen. „Sie war von unserer großen Anzahl offenbar beeindruckt und hat Gesprächsbereitschaft signalisiert“, bestätigt Martina Regulin, Vorsitzende der GEW.

Noch im Wahlkampf hatte die CDU kleinere Klassen gefordert. Die GEW kündigt an, die schwarz-rote Regierung weiterhin an ihre Versprechen zu erinnern. Aktuell sehe es daher schon danach aus, dass es weitere Streiks brauche, sagt Regulin. Schließlich gehe es um nachhaltige Lösungen: „Wir brauchen eine Utopie, wie der Lehrerberuf künftig aussehen soll, sonst will keiner mehr Lehrer werden. Mit einem Tarifvertrag säßen wir mit am Tisch und die Lehrer könnten für zu große Klassen kompensiert werden.“

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