Leitlinien für den Checkpoint Charlie: Äußerst spartanisches Gedenken

Hohe Sockel, keine Balkone, keine Gastronomie. Würdig soll es zugehen am Checkpoint Charlie. Dabei wurde über den Gedenkort noch gar nicht diskutiert.

Der Chechpoint Charlie von Süden aus gesehen

Checkpoint Charlie: Links entsteht der Stadtplatz, rechts das Museum. Dah8inter jeweils Neubauten Foto: picture alliance/dpa | Paul Zinken

Ein wenig könnte sich die Besucherin des geplanten Erinnerungsorts am Checkpoint Charlie erdrückt fühlen von der Last der innerdeutschen Geschichte. Tritt sie aus dem Museum, wähnt sie sich vielleicht an einem Ort wie südlich des Spittelmarkts. Dort gibt es keine Geschäfte im Erdgeschoss, sondern hohe Sockel. Denn Eigentumswohnungen über Bäckereien verkaufen sich nicht.

Bäckereien oder Cafés vertragen sich aber auch nicht mit dem Gedenken an den größten innerstädtischen Grenzübergang während der deutschen Teilung. So sehen es die Leitlinien zum Checkpoint Charlie vor, die an diesem Dienstag vorgestellt wurden. Beteiligt waren die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, das Landesdenkmalamt, die Kultur- und die Verkehrsverwaltung sowie die Gedenkstätte Berliner Mauer.

Selbst Balkone sind nicht vorgesehen, denn in den Leitlinien heißt es: „Private Alltagsnutzungen sollen sich nicht in den Fassaden niederschlagen, so dass diese nicht störend in den Erinnerungsort eingreifen.“ Darüber hinaus sollen die Sockel der von einem privaten Investor gebauten Gebäude einerseits nicht mit den unter Denkmalschutz stehenden Brandwänden konkurrieren. Andererseits sollen sie unsere fiktive Besucherin nicht vom Gedenken ablenken.

Der nördlich des Erinnerungsorts auf der östlichen Seite des Gedenkorts geplanten Neubau ist deshalb „auf der zum Bildungs- und Erinnerungsort zugewandten Seite bis zu einer Höhe von 11 Metern geschlossen auszubilden“, heißt es in den Leitlinien. Soll heißen, es darf dort weder Fenster noch Türen geben. Der hinter dem Stadtplatz auf der westlichen Friedrichstraßenseite geplante Neubau „soll im Erdgeschoss geschlossen ausgebildet werden“.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass das würdige Gedenken städtebaulich zu einem Zeitpunkt definiert worden ist, in dem für den „Bildungs- und Erinnerungsort noch nicht mal ein Konzept vorliegt.“ Darauf haben in einer gemeinsamen Stellungnahme Theresa Keilhacker, die Präsidentin der Architektenkammer, der ehemalige Kultursenator Thomas Flierl sowie der Tourismusforscher Christoph Sommer hingewiesen. Alle drei hatten das Verfahren am Checkpoint Charlie mit einem Brandbrief 2018 wieder zurück auf Start gesetzt und eine neue Debatte über die Gestaltung des Ortes erst möglich gemacht.

Museum ist eine Blackbox

„Noch ist der geplante Ort der Begegnung und Erinnerung eine Black Box“, heißt es in der Stellungsnahme, die der taz vorliegt. „Die von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa in Zusammenarbeit mit der Stiftung Berliner Mauer erarbeitete ‚Bedarfsfundierung‘ wurde bislang nicht einmal dem am Dialogverfahren beteiligten Beratungsgremium zugänglich gemacht.“ Soll heißen, dass die städtebauliche Entscheidung zum Thema Erinnern gefällt wurde, bevor überhaupt klar ist, was im Museum zu sehen sein wird. Nicht „form follows function“, sondern „function follows form“.

Die Grafik zeigt den Checkpoint Charlie

Infografik: Infotext

Mit ihm Spiel war dabei wohl auch der Druck des Investors. Dem sei das Ergebnis der Leitlinien bereits Ende 2022 übermittelt worden, heißt es in der Stellungnahme des Beratergremiums. Offenbar hat sich der Senat ein Vorab-Okay eingeholt, weil es im Vertrag eine Rücktrittsklausel gegeben habe. „Das Beratungsgremium wurde an der Dokumentation und Schlussfassung der Leitlinien nicht mehr beteiligt“, kritisieren Keilhacker, Flierl und Sommer. „Fast hat man den Eindruck, dass die Leitlinien zwar mit dem Investor, nicht aber mit der Fachöffentlichkeit und dem Parlament abgestimmt wurden.“

Immerhin eines steht nun auch fest: Der Checkpoint Charlie wird verkehrsberuhigt. Wäre ja auch albern gewesen: Blechlawinen reinzulassen, aber Cafégäste auszuschließen.

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Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.

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