Literaturnobelpreis 2023: Jon Fosse ausgezeichnet

Der Nobelpreis für Literatur geht in diesem Jahr an den Norweger Jon Fosse. Das hat das Nobelpreiskomitee in Stockholm am Donnerstag verkündet.

Portrait von Jon Fosse.

Literaturnobelpreisträger Jon Fosse Foto: Jessica Gow/TT/picture alliance

STOCKHOLM dpa/rtr/taz | Der Nobelpreis für Literatur geht in diesem Jahr an den Norweger Jon Fosse. Das hat die Schwedische Akademie in Stockholm am Donnerstag verkündet. Wie das Nobel-Komitee mitteilte, wird der 64-jährige Dramatiker „für seine innovativen Stücke und Prosa“ geehrt, die „dem Unsagbaren eine Stimme geben“.

„Ich bin überwältigt und etwas verängstigt. Ich sehe dies als eine Auszeichnung für die Literatur, die in erster Linie Literatur sein will, ohne andere Erwägungen“, sagte Fosse.

Auf Deutsch erschienen von ihm unter anderem „Melancholie“ und „Der andere Name“. Für sein Prosawerk „Trilogie“ bekam er 2015 den Literaturpreis des Nordischen Rates verliehen, den renommiertesten Literaturpreis Skandinaviens. Neben mehr als zwei Dutzend Theaterstücken hat der Schriftsteller im Laufe von vier Jahrzehnten auch Romane, Essays, Gedichtbände und eine Reihe von Kinderbüchern veröffentlicht. Seine schmale Erzählung „Morgen und Abend“ von 2000 war von der Literaturkritik überwiegend hoch gelobt worden.

Fosse wurde 1959 in Norwegen geboren. Er sei ein Autor mit starkem Bedürfnis nach Religion, hieß 2016 in einer taz-Rezension. Er ist inzwischen in die katholische Kirche eingetreten und schreibt gläubig über Dinge, für die wir in dieser Welt keine Erfahrung haben können.

Der Norweger sei gerade Kult und gelte als nächster Kandidat für den Nobelpreis, was man nur verstehen könne, wenn man die gegenwärtige Sehnsucht nach Ruhe vor allen Strapazen moderner Gesellschaften versteht, hieß es 2021 in der taz.

Dotiert ist die Auszeichnung in diesem Jahr mit elf Millionen schwedischen Kronen (rund 950.000 Euro), das sind eine Million Kronen mehr als im Vorjahr. Da war die Schriftstellerin Annie Ernaux ausgezeichnet worden.

Zuvor wurden andere als Favorit gehandelt

Wer unter den Nominierten ist, war vorab von den Nobel-Institutionen wie stets geheimgehalten worden. Experten hatten vermutet, dass die Auszeichnung dieses Jahr ein Zeichen für die Meinungsfreiheit setzen könnte. Als Favoriten wurden unter anderem die russische Kreml-Kritikerin Ljudmila Ulitzkaja und der britische Autor Salman Rushdie gehandelt, der wegen einer iranischen Fatwa jahrelang an geheimen Orten lebte und vergangenes Jahr einen Messerangriff in den USA nur knapp überlebte.

taz-Literaturredakteur Dirk Knipphals hatte auf Bluesky geschrieben, er tippe auf Thomas Pynchon.

Bereits seit Jahren galten die Kanadierin Margaret Atwood, die ungarischen Autoren Peter Nadas und Laszlo Krasznahorkai und der Kenianer Ngugi wa Thiong'o als Anwärter auf den renommierten Literaturpreis. Die Akademie könnte mit ihrer Auszeichnung aber auch wieder einmal einen weniger bekannten Schriftsteller wie den chinesischen Avantgarde-Autor Can Xue oder die karibische Autorin Jamaica Kincaid ins Rampenlicht rücken.

Letzter deutschsprachiger Literaturnobelpreisträger war der Österreicher Peter Handke, dem die renommierte Auszeichnung 2019 zugesprochen wurde. In der Vergangenheit war der Nobelpreis unter anderen auch an Günter Grass, Heinrich Böll, Hermann Hesse und Thomas Mann gegangen.

Die Nobelpreis-Woche

Der Literaturnobelpreis wird traditionell als vierter der Nobelpreise bekannt gegeben. Von Montag bis Mittwoch waren bereits die Preisträgerinnen und Preisträger in den wissenschaftlichen Kategorien Medizin, Physik und Chemie gekürt worden.

Am Freitag folgt im alljährlichen Nobelpreis-Reigen der Friedensnobelpreis, der als einziger nicht in der schwedischen Hauptstadt Stockholm, sondern in der norwegischen Hauptstadt Oslo verkündet wird. Am Montag steht dann zum Abschluss die Bekanntgabe in der Kategorie Wirtschaftswissenschaften an. Feierlich überreicht werden die Preise dann traditionell am 10. Dezember, dem Todestag von Preisstifter und Dynamit-Erfinder Alfred Nobel (1833-1896).

Die Schwedische Akademie ist seit der ersten Vergabe 1901 für die Auswahl der Literaturnobelpreisträger zuständig. Mehr als fünf Jahre nach einem handfesten Skandal um das damalige Akademiemitglied Katarina Frostenson und ihren wegen Vergewaltigung verurteilten Mann Jean-Claude Arnault sind die Wogen bei der Akademie mittlerweile wieder weitgehend geglättet. Seitdem wurden jeweils abwechselnd Frauen und Männer mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet: Den für 2018 nachgeholten Preis erhielt die Polin Olga Tokarczuk parallel mit dem für 2019 ausgezeichneten – und nicht unumstrittenen – Handke.

2020 und 2021 folgten dann mit der US-Poetin Louise Glück und dem tansanischen Schriftsteller Abdulrazak Gurnah zwei überraschende Preisträger, ehe sich die Akademie 2022 auf die Weltliteratin Ernaux verständigte – eine Wahl, die viel Zustimmung in der literarischen Fachwelt erhielt. Die Französin bekam den Nobelpreis „für den Mut und die klinische Schärfe, mit der sie die Wurzeln, Entfremdungen und kollektiven Beschränkungen der persönlichen Erinnerung aufdeckt“, wie es von der Akademie damals hieß.

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