Luftangriff in Zentralafrikanischer Republik: Die Phantombomben von Bossangoa

Die Zentralafrikanische Republik hat einen Angriff auch auf die Basis russischer Söldner gemeldet. Der geopolitische Kontext ist explosiv.

Militärfahrzeug auf einer Straße

Ohne russische Söldner geht hier nichts: Militär in Bangui in der Zentralafrikanischen Republik Foto: Nacer Talel/Anadolu Agency/picture alliance

BERLIN taz | Ein Luftangriff hat nach Angaben der Regierung der Zentralafrikanischen Republik die Stadt Bossangoa im Norden des Landes getroffen. Ziel, so die Erklärung aus der Hauptstadt Bangui vom Montag über den Angriff gegen 2.50 Uhr in der Nacht, sei die Basis der Armee dort sowie die Basis „unserer Verbündeten“ und eine Baumwollfabrik gewesen. „Diese Bomben haben erheblichen Sachschaden angerichtet“, heißt es weiter. Das unbekannte Flugobjekt habe den zentralafrikanischen Luftraum dann Richtung Norden verlassen.

Die Erklärung ist geeignet, die Instabilität in der Zentralafrikanischen Republik in einen internationalen Konflikt zu verwandeln. Mit den bombardierten „Verbündeten“ ist Russland gemeint, das in der Zentralafrikanischen Republik mehrere Hundert Kämpfer der für ihre Brutalität berüchtigten privaten Söldnertruppe Wagner im Einsatz hat sowie nach offiziellen Angaben 1.345 „Berater“ und „Instrukteure“ bei der Armee. Nördlicher Nachbar der Zentralafrikanischen Republik ist Tschad, wichtigster Militärverbündeter Frankreichs in der Region mit einer ständigen französischen Luftwaffenbasis in der tschadischen Hauptstadt, auf der auch Tschads Luftwaffe stationiert ist.

Frankreich und Russland sind Rivalen in der Zentralafrikanischen Republik. Das bitterarme, aber mineralienreiche Land war jahrzehntelang Drehscheibe französischer Militärinterventionen im Herzen Afrikas. Aber Frankreich hat sich in den vergangenen Jahren zurückgezogen, während der seit 2016 regierende Präsident Faustin-Archange Touadéra sich Russland angenähert hat, das anders als Frankreich Militärhilfe gegen Rebellen liefert und diese auch direkt bekämpft. Russische Wagner-Kämpfer verhinderten Ende 2020 den Sturz Touadéras durch eine Rebellenoffensive kurz vor seiner Bestätigung im Amt mit 54 Prozent der Stimmen in einer Wahl, die mangels Sicherheit in den meisten Landesteilen gar nicht stattfinden konnte.

Seitdem ist die Abhängigkeit immer größer geworden. Russische Unternehmen aus dem Wagner-Umfeld sind unter anderem im Goldbergbau aktiv. Frankreich schloss Mitte Oktober 2022 seine Militärbasis am Flughafen von Bangui, die bis dahin den zentralafrikanischen Luftraum kontrollierte und von der die Logistik der UN-Mission in der Zentralafrikanischen Republik (Minusca) abhängt. Danach versuchte Russland, das Mandat der UN-Mission auszudünnen und Nachtflüge der UN-Blauhelme zu verbieten. Russland enthielt sich schließlich bei der Verlängerung des UN-Mandats durch den Sicherheitsrat am 14. November.

Die letzten 130 französischen Soldaten in Bangui werden das Land im Dezember verlassen. Dann sind zum ersten Mal in der Landesgeschichte keine französischen Soldaten mehr in der Stadt stationiert, die im 19. Jahrhundert als Stützpunkt der französischen Kolonialarmee entstand.

Mit dem kompletten militärischen Abzug Frankreichs wird es möglich, einen französisch-russischen Stellvertreterkrieg in Afrika als Konflikt zwischen Tschad und der Zentralafrikanischen Republik auszutragen. Banguis Oppositionsmedien vermuten, der angebliche Luftangriff auf Bossangoa sei in Wirklichkeit eine Inszenierung der russischen Wagner-Söldner, um dieses Szenario real aussehen zu lassen, zumal in der Stadt selbst weder Bomben noch Schäden oder menschliche Verluste bestätigt worden seien.

In Tschad ist die politische Lage angespannt, seit Präsident Mahamat Idriss Déby im Oktober Proteste gegen seine Herrschaft mit Gewalt niederschlagen ließ und über 50 Menschen getötet wurden. In der Zentralafrikanischen Republik setzte Touadéra im Oktober die Präsidentin des Verfassungsgerichts ab, als sie sich einer dritten Amtszeit für ihn widersetzte. Zentralafrikanische Exiloppositionelle in Paris riefen daraufhin am 1. November ein „Widerstandskomitee“ zum Sturz Touadéras ins Leben. Mehrere Hundert tschadische Rebellenkämpfer sollen seitdem in Bangui eingetroffen sein, um die zentralafrikanische Armee zu stärken.

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