Luisa Görlich über Vierschanzentournee: „Wir kommen den Männern näher“

Die Premiere der Frauen bei der Vierschanzentournee ist erneut verschoben. Die deutsche Skispringerin Luisa Görlich vermisst Erklärungen dafür.

Luisa Görlich beim Sprung, im Hintergrund der Ort Villach

Hohes Niveau: Luisa Görlich beim Wettkampf im österreichischen Villach Foto: Eibner/imago

taz: Frau Görlich, was verbinden Sie mit der Vierschanzentournee?

Luisa Görlich: Ich habe das früher mit meinen Eltern am Fernseher angeschaut. Als ich dann selbst angefangen habe mit Skispringen, habe ich öfters mal gedacht: Es wäre cool, auch mal bei einer Vierschanzentournee dabei sein zu können, weil das Flair und die Aufmerksamkeit noch einmal anders ist als bei den Weltcup-Springen.

24, begann mit sechs Jahren beim WSV 08 Lauscha in Thüringen mit dem Skispringen. Bei ihrer ersten WM 2021 in ihrer Wahlheimat Oberstdorf sprang sie im Einzel auf den 19. Platz.

Es ist die größte Bühne, die der Sport zu bieten hat. Bis zu 30.000 Menschen vor Ort und Millionen Menschen an den TV-Bildschirmen werden auch die beiden ausbleibenden Springen verfolgen. Eine Bühne, die nächsten Winter auch für die Skispringerinnen vorgesehen war. Jetzt soll das Vorhaben doch geschoben werden. Sie haben das eine Unverschämtheit genannt. Wie war die Resonanz auf Ihre Kritik?

Durchaus positiv. Viele Skispringerinnen haben meine Kritik auch in den sozialen Netzwerken geteilt. Wir sind da eigentlich alle einer Meinung. Es ist langsam Zeit dafür, dass wir auch springen dürfen. Oder umgekehrt gefragt: Was spricht denn eigentlich dagegen?

Die Idee, die Vierschanzentournee für Frauen zu öffnen, wird schon lange diskutiert. Wissen Sie noch, wann die Debatte begann?

Seitdem ich Weltcup fahre, seit der Saison 2016/17 ist das eigentlich immer Thema.

Geschichte Von Frauen, die von Schanzen springen, wird in Norwegen bereits 1862 berichtet. Eine Weltmeisterin wurde erstmals 2009 ermittelt. Fünf Jahre mehr mussten die Skispringerinnen auf ihr olympisches Debüt warten.

Weltcup Nach neun Springen führt die Österreicherin Eva Pinkelnig die Gesamtwertung vor der Deutschen Katharina Althaus an. Pinkelnig gewann jüngst auch das Silvesterturnier im österreichischen Villach und slowenischen Ljubno. Eine Wettkampfserie ähnlich der Vierschanzentournee mit vier Springen. Luisa Görlich erzielte mit dem achten Platz im dritten Springen ihr bestes Ergebnis im Weltcup.

Vierschanzentournee Mitte Dezember teilte Roswitha Stadlober, die Präsidentin des Österreichischen Skiverbands mit, vor 2024/25 gäbe es keine Frauenpremiere bei der Vierschanzentournee. Grund: „Noch viele zu berücksichtigende Faktoren, die eine frühere Einführung nicht ermöglichen.“ Zuvor war die erste Austragung für 2023/24 vereinbart.

Die Veranstalter der Vierschanzentournee haben schon vor Jahren gesagt, es spräche eigentlich nichts dagegen. Die Verantwortung läge beim deutschen und österreichischen Skiverband.

Ich weiß, von deutscher Seite aus möchte man das unbedingt machen. Die österreichische Seite sieht aktuell noch Probleme und wollen das weiter verschieben. Ich finde das wirklich schade, weil die Österreicherinnen momentan sehr gute Springerinnen haben. Ich weiß nicht, warum sie den Sport nicht noch präsenter machen wollen.

Im Frühjahr wurde noch vermeldet, der deutsche und der österreichische Verband seien sich einig, dass es im Winter 2023 stattfinden soll. Wissen Sie, weshalb man in Österreich nun anders darüber denkt?

Nein leider nicht. Die Springerinnen aus Österreich haben gesagt, sie stünden alle hinter diesem Vorhaben. Wo genau der Knackpunkt ist, weiß ich nicht. Vielleicht ändert sich doch noch etwas. Hoffen kann man ja immer.

Generell wurde in den letzten Jahren von logistischen Problemen gesprochen.

Die Norweger haben ihren Vierschanzenwettbewerb, die Raw-Air, 2019 für Frauen geöffnet. Die ziehen das einfach durch ohne Wenn und Aber. Sie bekommen das auch mit den Unterkünften und dem Organisatorischen hin. Die Frauen springen dann vormittags, die Männer nachmittags, am nächsten Tag wird getauscht.

Warum lässt sich die norwegische Lösung nicht kopieren?

Der Zuschauerandrang ist bei der Vierschanzentournee schon sehr groß. Das verschärft das Unterkunftsproblem. Und in Innsbruck gibt es noch keine Flutlichtanlage. Aber es gibt ja schon Ideen, wie man diese Probleme umgehen kann.

Nämlich?

Die Frauen könnten beispielsweise in Garmisch-Partenkirchen anfangen, die Männer in Oberstdorf und dann tauscht man. Dasselbe könnte man dann in Österreich machen. Dann ist es auch mit den Unterkünften nicht so schwierig.

Dann könnten die Frauen aber nicht vom großen Publikumszuspruch, den die Männer genießen, profitieren.

Klar, das wäre wünschenswert, aber wenn das Hauptargument ist, man bekomme es organisatorisch nicht hin, muss man sich etwas anderes überlegen. Lösungsansätze gibt es eigentlich genügende.

Was könnte eine gemeinsame Vierschanzentournee für das Frauenskispringen bedeuten?

Das wäre ein großer Schritt für uns nach vorn. Von der größeren Aufmerksamkeit würde dann auch der Nachwuchsbereich profitieren.

Obendrein würde es dem Wunsch der Skispringerinnen entgegenkommen, im Weltcup-Programm mehr Großschanzen zu haben.

Definitiv. Mittlerweile springen die Frauen von Großschanzen sehr gut und stabil. Wir haben ein gutes Niveau und spannende Wettkämpfe.

Eine Eingliederung bei der Vierschanzentournee wäre also auch eine logische Reaktion auf die Entwicklung im Frauenskispringen?

Definitiv. Wir kommen den Männern vom Niveau und auch materialtechnisch immer näher. Die Vierschanzentournee wäre dann noch einmal das I-Tüpfelchen in Sachen Gleichberechtigung. Diesen Winter dürfen zumindest erstmals die 15 besten Springerinnen der Raw-Air-Serie auf dem „Monsterbakken“ im norwegischen Vikersund an einem Wettbewerb im Skifliegen teilnehmen.

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