Machtkampf in der EU: Ursula von der Leyen unter Druck

Eine Mehrheit der EU-Abgeordneten will eine Klage gegen die Kommission vorbereiten. Grund ist die Freigabe von EU-Geldern für Ungarn.

Ursula von der Leyen hält eine Rede

Ursula von der Leyen gerät kurz vor der Europa-Wahl unter Druck Foto: Jean-Francois Badias/ap

BRÜSSEL taz | Im Streit um die Freigabe von EU-Geldern an Ungarn ist ein Machtkampf zwischen dem EU-Parlament und der EU-Kommission entbrannt. Wie angedroht haben die Abgeordneten am Donnerstag mit großer Mehrheit in Straßburg beschlossen, eine Klage gegen die Kommission vorzubereiten – eine Reaktion auf die umstrittene Entscheidung der EU-Behörde, 10,2 Milliarden Euro für Ungarn freizugeben.

Behördenchefin Ursula von der Leyen gerät nur fünf Monate vor der Europawahl unter erheblichen Druck. Auch für Ungarns Premier Viktor Orbán wird es ungemütlich. In einem weiteren Antrag forderten die Abgeordneten, Ungarns Regierung das Stimmrecht im Rat der EU zu entziehen. Ungarn will am 1. Juli den Ratsvorsitz übernehmen.

Das sei „die einzige konsequente Antwort“, um Orbáns „ewige Erpressungsversuche zu unterbinden“, sagte die Parlamentsvizepräsidentin Katarina Barley (SPD). Ähnlich äußerte sich Monika Hohlmeier von der CSU. Solange Gerichtsurteile in Ungarn „über Nacht per Dekret abgeändert“ werden könnten, gebe es weiter „schwerwiegende“ Bedenken an der Rechtsstaatlichkeit. Deswegen will das Parlament nun vor dem Europäischen Gerichtshof klagen.

Einen Schritt weiter

Die Liberalen gehen noch einen Schritt weiter als die Mehrheit: Sie drohen mit einem Misstrauensvotum gegen die EU-Kommission. Dies zielt direkt auf von der Leyen. Einige liberale Abgeordnete wollen ihr sogar eine zweite Amtszeit in Brüssel streitig machen.

Die konservative EVP hingegen will von der Leyen schonen – sie soll im März zur Spitzenkandidatin gekürt werden. Die größte Parlamentsfraktion, zu der auch CDU/CSU gehören, will vor allem Druck auf Deutschland und Frankreich machen, um Ungarn das Stimmrecht zu entziehen.

Grünen, Linken und Sozialdemokraten wiederum geht es in erster Linie um den Rechtsstaat. Allerdings verwickeln sie sich in Widersprüche. Gegen die Auszahlung von EU-Geldern an Polen haben sie keine Bedenken – obwohl der Rechtsstaat nach acht Jahren autoritärer PiS-Herrschaft längst nicht wiederhergestellt ist.

Von Nationalisten und Rechtspopulisten kommt daher der Vorwurf, in Wahrheit gehe es gar nicht um den Rechtsstaat. Die proeuropäische Mehrheit im Parlament wolle Orbán vielmehr für seine Politik abstrafen.

Kein Geld mehr aus Brüssel

Wie geht es jetzt weiter? Zunächst muss sich der Rechtsausschuss des Parlaments mit dem Fall befassen und den Europäischen Gerichtshof einschalten. Ob es zu einer Klage kommt oder nur zu einer rechtlichen Prüfung, ist offen. Eine Prüfung könnte schnell erfolgen, eine Klage könnte sogar Jahre in Anspruch nehmen.

Sollte die Sache negativ für die EU-Kommission ausgehen, wäre die Freigabe von „eingefrorenen“ EU-Mitteln erheblich erschwert. Aber auch so dürfte die Initiative dazu führen, dass Ungarn so schnell kein Geld aus Brüssel mehr erhält. Das ist das Hauptziel. Von der Leyen soll gehindert werden, sich erneut „erpressen“ zu lassen, wie es der grüne EU-Abgeordnete Daniel Freund formuliert.

Die Kommissionschefin nimmt es gelassen. Von Erpressung könne keine Rede sein, erwidert sie auf die Vorwürfe. Budapest habe ein Gesetz für die Unabhängigkeit der Justiz verabschiedet, sagte sie in Straßburg. „Das ist, was wir gefordert haben, und das ist, was Ungarn geliefert hat.“

Außerdem lägen 20 Milliarden Euro weiter auf Eis – wegen Bedenken hinsichtlich der Rechte sexueller Minderheiten, akademischer Freiheiten und der Rechte von Asylbewerbern. Das werde auch so bleiben, „bis Ungarn die notwendigen Bedingungen erfüllt“.

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