Masern-Impfpflicht in der Kita: Der Staat am kürzeren Hebel

Das Bundesverfassungsgericht bestätigt die Masern-Impfpflicht in der Kita. Doch die Vorstellung, diese Pflicht würde automatisch befolgt, ist naiv.

Ein Kleinkind wird gegen Masern geimpft

Ewiger Streitpunkt: die Pflichtimpfung Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Karlsruhe hat entschieden, dass die Masern-Impfpflicht für Kita-Kinder mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Das kommt nicht überraschend. Immerhin hatte das Bundesverfassungsgericht schon im Mai 2020 einen Eilantrag abgelehnt. Zwei Jahre später hatte Karlsruhe die Corona-Impfpflicht in Pflege- und Gesundheitswesen gebilligt. Im Bundesverfassungsgericht sitzen offensichtlich keine Impfskeptiker.

Der Beschluss zur Pflege-Impfpflicht war sogar für Karlsruher Verhältnisse geradezu brüsk. Den Impf­kri­ti­ke­r:in­nen wurde überhaupt kein Zugeständnis gemacht. Es gab nicht einmal eine öffentliche Verhandlung. In einem zugespitzten Konflikt hat das Gericht seine Integrationsaufgabe ziemlich vernachlässigt.

Das versuchten die Rich­te­r:in­nen bei der Masernimpfpflicht nun offensichtlich besser zu machen. Gleich zu Beginn der Karlsruher Pressemitteilung wurde eine „verfassungskonforme Auslegung“ des Masernschutzgesetzes versprochen. Die in Deutschland üblichen Kombinations-Impfstoffe dürfen nicht einfach auf weitere Krankheiten ausgeweitet werden. Damit ist zum Beispiel verboten, bald nur noch kombinierte Masern/Corona-Präparate anzubieten und so eine Corona-Impfpflicht durch die Hintertür einzuführen. Diese eher theoretische Möglichkeit ist nun also ausgeschlossen.

Doch warum hat das Bundesverfassungsgericht nicht vorgegeben, dass es reine Masern-Impfstoffe geben muss? Warum müssen Kinder immer auch gegen Röteln, Mumps und Windpocken geimpft werden, wenn die Impfpflicht doch nur für Masern gilt? In der Schweiz gibt es durchaus reine Masern-Impfstoffe. Karlsruhe begründete die Ablehnung mit Mehrkosten und einer Belastung für die Allgemeinheit. Das ist dünn.

Naive Vorstellung von Impfpflicht

Die faktisch gescheiterte Corona-Pflege-Impfpflicht sollte Warnung genug sein. Die Vorstellung, man führt einfach eine Impfpflicht ein und dann wird sie befolgt, ist naiv. Auch deshalb läuft die Pflege-Impfpflicht Ende des Jahres sang- und klanglos aus, ohne je wirklich durchgesetzt worden zu sein.

Es kann noch interessant werden, wie die Masern-Impfpflicht an Kitas und Schulen akzeptiert und umgesetzt wird. Auch hier sitzt der Staat eher am kürzeren Hebel – jedenfalls wenn er den Konflikt nicht auf dem Rücken der ungeimpften Kinder austragen will, die sich ihre Eltern ja auch nicht ausgesucht haben

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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