Maßnahmen gegen Straßenkriminalität: Das schutzbedürftige Objekt Frau

Die Bremer CDU kommt nicht damit klar, dass auch Männer Opfer werden können und sorgt sich lieber um die Sicherheit von Frauen im öffentlichen Raum.

Ein Polizeiwagen führt durchs Bremer Steintorviertel

In der Bremer Innenstadt kommt es verstärkt zu Raubüberfällen Foto: Sina Schuldt / dpa

Mehr Raubüberfälle und Diebstähle als in den Vormonaten hat es in der Bremer Innenstadt im September gegeben; von einem „erneuten sprunghaften Anstieg“ spricht die Innenbehörde. Nun richtet die Bremer Polizei eine 25-köpfige Sonderkommission ein. Sie heißt „junge Räuber“, weil die Täter häufig noch minderjährig sind. Die meisten stammen laut Innenbehörde aus Tunesien, Marokko und Algerien. Häufig greifen sie – das geht aus den Polizeimeldungen hervor – ihre Opfer in der Gruppe an, schlagen sie nieder, entreißen ihnen Wertsachen.

CDU und FDP finden die Sonderkommission nicht an sich falsch, es ist ihnen naturgemäß als Opposition nur zu wenig Engagement. Die Liberalen möchten, dass Bremen mehr Menschen abschiebt. Weil das oft an fehlenden Ausweispapieren scheitert, verlangt die FDP ein Projekt einzustellen, das papierlosen Menschen aus der Illegalität hilft.

Auf eine solche Idee kommt nicht einmal die CDU. Die will vor allem, dass Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) mehr Po­li­zis­t:in­nen auf die Straße schickt, sie besser ausstattet und nicht durch „ideologische Maßnahmen gängelt“. Was damit gemeint ist, steht da nicht, lässt sich aber in einem Kommentar im Weser-Kurier vom vergangenen Donnerstag nachlesen. Darin hetzt der Autor gegen Maßnahmen, die rassistische Polizeigewalt eindämmen sollen und verlangt Elektroschock-Waffen für die Polizei, „um auf eine robuste Art Respekt zu vermitteln“.

Der Glaube dahinter: Eine solche „Null-Toleranz-Politik“ lässt die Bremer Welt wieder heil aussehen. Erfolgversprechender wäre wahrscheinlich ein von Grenz­schüt­ze­r:in­nen bewachter Zaun an der Bremer Außengrenze, verbunden mit der Bitte, sich verstärkt in süddeutschen Großstädten niederzulassen und dort Leute auszurauben.

Männer werden häufiger Opfer

Überhaupt spricht aus vielen der markigen Vorschläge eine ähnliche Realitätsverweigerung, wie man sie sonst nur von Linken kennt, die sich beharrlich weigern anzuerkennen, dass es eine Rolle spielen kann, in welcher Kultur und mit welchem Männerbild jemand aufgewachsen ist.

So pöbelt der CDU-Innenpolitiker Marco Lübke, die Sonderkommission helfe „keiner älteren Dame und keiner jüngeren Frau auf dem Weg zur Bushaltestelle“. Das ist eine erstaunliche Aussage, denn auch Lübke wird die polizeiliche Kriminalstatistik kennen, nach der Männer sehr viel häufiger Opfer von Straßenkriminalität werden als Frauen. Im Jahr 2022 waren es 788 Männer und 140 Frauen. Liest man die Polizeimeldungen der vergangenen Wochen, hat sich das in diesem Jahr nicht umgedreht, aber offenbar fällt es schwer, die eigene Verletzlichkeit als Mann zu akzeptieren.

Das wiederum könnte die große Empörung erklären, mit der Lokalzeitungsredakteure und Landespolitiker auf die gestiegene Straßenkriminalität reagieren. Plötzlich geht es ihnen so, wie es die meisten Frauen ihr Leben lang kennen: Sie fühlen sich im öffentlichen Raum nicht sicher und ahnen, dass das in den nächsten Jahrzehnten angesichts der Überlebenskämpfe der Menschen nicht besser werden wird.

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Seit 2003 bei der taz als Redakteurin. Themenschwerpunkte: Soziales, Gender, Gesundheit. M.A. Kulturwissenschaft (Univ. Bremen), MSc Women's Studies (Univ. of Bristol); Alumna Heinrich-Böll-Stiftung; Ausbildung an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin; Lehrbeauftragte an der Univ. Bremen; in Weiterbildung zur systemischen Beraterin.

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