Meduza-Auswahl 17. bis 23. August: Propaganda von „Birken“ und „Bären“

Moskau setzt die „Grundlagen des russischen Staates“ verpflichtend auf den Stundenplan. Dabei wird auch gegen den Westen gewettert. Texte aus dem Exilmedium.

Student:innen in einer Vorlesung

Stu­den­t:in­nen der Universität in Luhansk im russisch besetzten Teil der Ukraine beim Propagandaunterricht Foto: Evgeny Biyatov/SNA/imago

Das russisch-und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März unter taz.de/meduzaimmer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftunggefördert.

In der Woche vom 17. bis 23. August 2023 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:

Propaganda per Videovorlesung

Ab diesem Herbst müssen Universitätsstudenten in Russland einen Kurs über die „Grundlagen des russischen Staates“ belegen. Der Lehrplan des als eine Reihe von Videovorlesungen gehaltenen Kurses stammt aus der Feder von Andrei Polosin. Polosin ist ein enger Mitarbeiter des stellvertretendem Stabschefs von Staatschef Wladimir Putin.

Meduza berichtet (englischer Text) über diesen neuen ideologischen Lehrplan und über die einzelnen Onlinevorlesungen, die einen Überblick über die „russische Ideologie“, „die russische Welt“ bis hin zu Russlands inoffiziellen Staatssymbolen wie „Birke“ und „Bär“ bieten.

Viele der Videolehrmaterialien sind bereits online auf der Website von „Snanie“ verfügbar, einer russischen Akademie, die das neue Programm in Zusammenarbeit mit dem Bildungsministerium entwickelt hat. Ein Video erklärt etwa, der Westen sei „schon immer feindlich gegenüber Russland eingestellt“ gewesen. Die Kultur Europas, so heißt es in einem anderem Video, habe lange Zeit „russophobe Klischees reproduziert“, die Russland als „riesiges, wildes Land, in dem Bären durch die Straßen streifen“, darstellten.

Russische Justiz löst Menschenrechtsorganisation auf

Am 18. August 2023 hat das Moskauer Stadtgericht die Menschenrechtsorganisation Sacharow-Zentrum aufgelöst. In den letzten neun Jahren hatte es die Organisation bereits unter Druck gesetzt, durch eine Einstufung als „ausländische Agenten“. Dieses Jahr wurden sie von ihrem Sitz im Zentrum Moskaus vertrieben, und nun wurde sie – wie auch andere Menschenrechtsprojekte in Russland – endgültig verboten. Der Direktor des Sacharow-Zentrums, Sergei Lukaschewski, erklärt in einem Interview, das Meduza mit ihm auf Russisch geführt hat, was mit der Organisation in Zukunft geschehen soll.

Lukaschewski will gegen die Entscheidung des Gerichts Berufung einlegen. Welchen Sinn dieser Berufungsantrag – den das Gericht wahrscheinlich ablehnen wird – macht? Er sagt: „Das Gericht wird seine Entscheidung nicht ändern, aber für uns ist es wichtig, diesen absolut illegalen Prozess unserer Liquidation so gut wie möglich zu dokumentieren. Diese ganze Chronik der Missachtung von Recht, Gesetz, Verfassung und Menschenrechten muss festgehalten werden – für die Geschichte und für die Zukunft.“

Folter von Ukrainer mit Behinderung

Während sich der Krieg hinzieht, entführen und foltern russische Soldaten weiterhin Zivilisten aus den besetzten Gebieten der Ukraine. Einer dieser Entführten ist Leonid Popov, ein 22-Jähriger aus Melitopol, bei dem Schizophrenie diagnostiziert wurde. Am 24. April 2023 verschwand Popov aus seinem Haus, nachdem er von den Besatzungsbehörden bereits mehrfach festgenommen und gefoltert worden war.

Nach dreimonatiger Inhaftierung und Misshandlung wurde er in ein Krankenhaus verlegt, wo er wegen Auszehrung behandelt wurde. Am 2. August teilten die russischen Streitkräfte Leonids Vater mit, dass er freigelassen werde – doch nur Stunden später wurde er erneut von Soldaten verschleppt. Leonids Mutter erzählte die Geschichte ihres Sohnes Journalisten des unabhängigen Mediums iStories. Meduza publiziert eine gekürzte, englischsprachige Fassung dieses Berichts.

Kundgebungen unter dem Motto „Putin ist ein Mörder“

Am 20. August nahmen Un­ter­stüt­ze­r:in­nen des russischen Oppositionellen Alexei Nawalny in verschiedenen Städten auf der ganzen Welt an einer Protestkundgebung teil. Das Motto: „Putin ist ein Mörder“.

Einzelne Mahnwachen gab es, außer etwa in Georgien oder Deutschland, auch in Russland – mit Folgen. Die Menschenrechtsorganisation OVD-Info berichtet von Festnahmen in mehreren russischen Städten, darunter die Metropolen Moskau und St. Petersburg, das südöstlich gelegene Samara sowie Chabarowsk, nahe der Grenze zu China.

Die einzelne Protestierenden hätten, so die russische Justiz, gegen die Regeln für die Teilnahme an Demonstrationen verstoßen und die russische Armee „diskreditiert“. Meduza zeigt eine Bildergalerie der Demonstrationen, darunter Fotografien von Schildern, auf denen steht: „Putin ist ein Mörder“, „Nein zum Krieg“, „Freiheit für Nawalny“.

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