Mitsprache beschnitten: Baustelle mit neuem Kopf

Die Möckernkiez-Genossenschaft findet keine Geldgeber. Am Wochenende hat sie ihren alten Vorstand abgesetzt.

Das war der Prospekt. Tatsächlich ruht die Baustelle. Bild: Möckernkiez eG

Die vier Rohbauten stehen trostlos in der Gegend. Seit Monaten bewegt sich nichts auf der Baustelle der Möckernkiez-Genossenschaft am südöstlichen Rand des Gleisdreieckparks. Nach wie vor haben sich keine Banken gefunden, die finanzieren wollen.

Damit sich das ändert, stellt sich die Genossenschaft neu auf: Am Wochenende hat der Aufsichtsrat drei langjährige Mitglieder des bisherigen Vorstands, darunter den Gründer der Initiative, abgesetzt. Dadurch verspricht man sich Professionalisierung: Eine Architektin und ein Kaufmann, der lange in der Wohnungswirtschaft tätig war, leiten die Geschäfte nun allein.

Der Möckernkiez ist ein typisch kreuzbergerisches Gegenmodell. Statt privaten Investoren das Bauen zu überlassen, gründeten Engagierte 2007 eine Initiative und später eine Genossenschaft. Sie kauften das drei Hektar große Grundstück an der Yorckstraße. Dort soll laut Webpage eine „gemeinschaftliche und Generationen verbindende Wohnanlage, die ökologisch, nachhaltig und barrierefrei ist“, entstehen. Es wäre die Verwirklichung einer Utopie: ein autofreies Ökoviertel mit 464 Wohnungen mitten in der Innenstadt.

Billig ist es nicht, im Möckernkiez mitzumischen: Einen Teil der Bausumme – 920 Euro pro Quadratmeter – müssen die Genossen selbst aufbringen. Hinzu kommt eine Durchschnittsmiete von 9,30 Euro nettokalt.

Die veranschlagten Gesamtkosten des Projekts stiegen mit den Jahren: Insgesamt rechnet die Genossenschaft inzwischen mit einer Summe von 120 Millionen Euro. Das Geld der Genossen wurde bereits teilweise verbaut. Rund 2 Millionen Euro seien derzeit noch in der Kasse, so Vorstandsmitglied Frank Nitzsche. Auch der Stillstand auf der Baustelle kostet monatlich eine fünfstellige Summe. Die Genossenschaft braucht dringend Geld, um weiter bauen zu können. Doch den Banken sind die Risiken des Projekts bislang zu groß. Mit dem finanziellen Druck wurden die Auseinandersetzungen innerhalb der Initiative härter: In Rundschreiben distanzierten sich Vorstandsmitglieder voneinander. Bereits im vergangenen Jahr war der Aufsichtsrat nach Auseinandersetzungen mit dem Vorstand geschlossen zurückgetreten. Ein neuer Aufsichtsrat wurde gewählt. Der Vorsitzende des Gremiums ist Werner Landwehr, Leiter der Berliner Niederlassung der GLS-Bank.

Die Banken waren wohl auch deshalb kritisch, weil aus ihrer Sicht die Mitglieder zu viel Mitspracherechte hatten. Nach der alten Satzung konnte nur die Mitgliederversammlung den Vorstand wählen und entlassen. Dieses Stück Basisdemokratie opferten die Genossen bei einer Versammlung im Februar. Über 80 Prozent votierten für eine Satzungsänderung, die nun dem Aufsichtsrat dieses Recht einräumt. „Der Aufsichtsrat soll den Vorstand kontrollieren. Wenn er ihn nicht auch sanktionieren kann, ist er wie ein Hund ohne Zähne“, erklärt Nitzsche. Die Änderung sei für viele Mitglieder ein Einschitt gewesen, sagt er .

Erst die Satzungsänderung ermöglichte es Landwehr und seinen KollegInnen im Aufsichtsrat, den alten Vorstand von seinen Aufgaben zu entbinden. „Der Möckernkiez ist in der unangenehmen Situation, das Projekt mit einem extremst knappen Zeitfenster entweder auf die Beine zu stellen oder abzuwickeln“, so Landwehr am Dienstag. Die Banken hätten signalisiert, dass sich die Genossenschaft professionalisieren müsse, „oder es wird nichts mehr“, berichtet Landwehr. „Man braucht einen handlungsfähigen Vorstand, der mit einer Stimme spricht.“

Unter der neuen Führung arbeitet die Genossenschaft nun daran, bei den Banken wieder Vertrauen zu gewinnen. Früher hat der Vorstand die anstehenden Bauarbeiten selbst vergeben. Dafür ist nun ein Generalunternehmer zuständig. „Die Banken haben gerne Kostensicherheit, deshalb haben wir das umgestellt“, so Nitzsche. Ein Finanzdienstleister sei derzeit für die Genossenschaft auf der Suche nach Kreditgebern. Es werde auch überlegt, Anleihen an Private auszugeben, um den Anteil der Banken zu verkleinern.

Die nächsten Monate werden zeigen, ob die Maßnahmen ausreichen, um das Projekt Möckernkiez zu retten – oder ob es am Ende doch von privaten Investoren zu Ende gebaut wird.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.