Münchner Bierzeltrede von CDU und CSU: Mundwinkel zeigen fast nach oben

Bei ihrem Aufritt in Trudering machen Seehofer und Merkel alte Konflikte vergessen. Für Ärger sorgen stattdessen „Hau ab!“-rufende AfDler.

Merkel und Seehofer

Mögen sich wieder ein bisschen: Merkel und Seehofer Foto: dpa

MÜNCHEN taz | Ja, das ist dieselbe Frau. Ja, das ist die Angela Merkel, die noch im Februar in der CSU-Zentrale ein Gesicht gemacht hat, als führe man sie zum Schafott. Damals kürte sie die Schwesterpartei zu ihrer Kanzlerkandidatin. Und ja, der andere, das ist Horst Seehofer, der ein Jahr lang keine Gelegenheit ausließ, Merkel ihr Kanzlerinnendasein so unangenehm wie möglich zu gestalten, der mit Blick auf die Bundesregierung von der „Herrschaft des Unrechts“ gesprochen hatte.

Jetzt, hier im Bierzelt in Trudering, braucht es viel Kreativität, will man Dissonanzen ausmachen. Dann könnte man vielleicht beobachten, wie es Seehofer schafft, beim Einzug ins Bierzelt zunächst hinter der Kanzlerin zu gehen, dann aber als Erster vorne anzukommen. Das ist dann aber auch schon alles. Der Rest ist Harmonie. „Zu unserem guten Arbeitsklima“, sagt Seehofer, „muss ich gar nichts sagen. Es läuft sehr gut.“

Wer ins Zelt will, muss vorbei an Schießbude, Kinderkarussell und AfD. 2.300 Besucher seien gekommen, so der Veranstalter. „Willkommen im Paradies“, begrüßt Markus Blume, der örtliche Landtagsabgeordnete und CSU-Vizegeneralsekretär, die Kanzlerin. Und erklärt: „Wir sind stolz auf unsere Kanzlerin, wir sind klar für Angela Merkel.“

Es ist Sonntag, 13 Uhr und „Kanzlerinnenwetter“, wie Blumes Bundestagskollege Wolfgang Stefinger bemerkt. Auf den Biertischen liegen noch die Flyer mit dem alten Datum: Eigentlich wollten Merkel und Seehofer hier bereits am Dienstag auftreten. Die ersten Besucher hatten sich schon Plätze im Zelt gesichert, als der Abend wegen des Terroranschlags in Manchester abgesagt wurde. Doch das Signal des gemeinsamen Wahlkampfauftakts war beiden Parteivorsitzenden offensichtlich sehr wichtig, so wurde schnell ein Ersatztermin gefunden.

Viel Lob und Dank von der Kanzlerin

Die CDU-Chefin zeigt sich gut gelaunt, prostet mit Maßkrug der Menge zu, ihre Mundwinkel zeigen schon fast nach oben, ihre Rede kann für Merkel-Maßstäbe als kämpferisch gelten. Seit sie Kanzlerin sei, habe man die Arbeitslosigkeit halbiert, sagt sie. Die Steuern seien nicht erhöht worden, und: „Wir sagen nicht nur ‚Null Toleranz‘, sondern wir handeln auch.“ So blickten die Menschen in NRW neidisch nach Bayern und sagten, die Schleierfahndung, die wollten sie auch. Überhaupt Bayern: Viel Lob und Dank hat die Kanzlerin für den Freistaat übrig. Sei es die Vollbeschäftigung oder das ehrenamtliche Engagement der Menschen.

Trotz des gespendeten Honigs sind es erstaunlicherweise Merkels Worte zu Europa, die den weitaus größten Applaus provozieren. Wenn sie vom „Schatz Europa“ spricht, dem neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron Glück wünscht oder sagt: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei, das habe ich in den letzten Tagen erlebt.“

Klar, Trudering ist nicht Bayern. Bei einem Auftritt in Passau oder Straubing wäre die Reaktion vielleicht weniger euphorisch ausgefallen als hier im Münchner Osten. Die Generalprobe für den gemeinsamen Wahlkampf jedoch hat geklappt. Es ist ein Vorgeschmack auf vier Monate Harmonie pur. Sollten die christsozialen Biertrinker an diesem Sonntag irgendwelche Vorbehalte gegen Merkel haben, lassen sie es sich nicht anmerken.

Den Widerstand übernimmt deshalb eine Handvoll AfD-Demonstranten umso lautstarker. Das Bierzelt ist nach hinten offen, dort halten sie die Stellung mit Trillerpfeifen. Immer wieder stören „Hau ab!“- und „Lüge“-Rufe Merkels Rede. Die Kanzlerin zeigt sich unbeeindruckt.

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