Museum „Insel Hombroich“ in Neuss: Kunst im Fluss

Das Museum „Insel Hombroich“ in Neuss wirkt wie ein Kopfhörer, der Störgeräusche reduziert. Hier verschmelzen Natur, Architektur und Kunst.

Eine bunte Illustration: wie unter einer gläsernen Haube liegt de Museumsinsel Homboich bei Neuss darunter

Die Inszenierung einer perfekten Welt: das Museum Insel Hombroich bei Neuss Illustration: Sebastian König

Eine Insel weitab von Pandemie, Krieg und Alltagsstress, ein Ort mit active stress ­cancelling sozusagen, das wär’s doch jetzt, oder? Eine solche Insel gibt es, und verglichen mit Karibik, Bornholm oder Arkadien ist sie gut zu erreichen. Nur 15 Minuten vom Neusser Hauptbahnhof entfernt liegt das Museum Insel Hombroich in dem Flüsschen Erft.

Das Prinzip

Kopfhörer mit active noise ­cancelling blenden Störgeräusche aus, indem sie sie in invertierter Phasenlage zur Musik hinzumischen und damit neutralisieren. Ganz ähnlich funktioniert das Museum Insel Hombroich, dessen Purismus Stressgefühle reduziert. Durch eine Inszenierung, die sich selbst unsichtbar macht, wird hier der Blick aufs Wesentliche gelenkt.

Vor 40 Jahren erwarb der Düsseldorfer Immobilienunternehmer Karl-Heinrich Müller 20 Hektar Land mitsamt einer Villa aus dem 19. Jahrhundert an den Ufern der Erft, um Platz für seine Kunstsammlung zu schaffen. So beginnt die Geschichte des Museums Insel Hombroich.

Die Anlage

Gleich hinter dem Kassengebäude blicken wir über eine Auenlandschaft wie aus dem Bilderbuch. Die Anlage sieht aus wie eine unberührte Flusslandschaft mit Wegen und Brücken, doch der Anschein ursprünglicher Natur ist das Ergebnis hoher Gartenkultur. Der Landschaftsplaner Bernhard Korte hat diese Ideallandschaft geschaffen, indem er nicht nur die ursprüngliche Topografie und Geschichte des Ortes erschloss, sondern auch die prähistorischen und exotischen Pflanzen des alten Parks miteinbezog. Sein Credo hat er so formuliert: „Die Insel Hom­broich wird gepflegt, als ob sie nicht gepflegt wird.“

Die renaturierte Auenlandschaft ist aber nur ein Teil des Stressauflösungsprogramms. Zweites Element sind die Pavillons. Erwin Heerich, ihr Architekt, hat rund ein Dutzend von ihnen für die auszustellende Kunst geschaffen. Und jetzt kommt’s: Manche von ihnen sind leer! Sie sind selbst zum Ausstellungsobjekt geworden, zur begehbaren Skulptur. Außen recycelte Ziegel aus den Niederlanden, innen weiß verputzte Wände. Einfache Formen und Grundrisse und doch raffinierte Architektur und bezaubernde Räume sind hier entstanden.

So zum Beispiel der „Turm“, ein Kubus von zehn Meter Kantenlänge mit nach innen gedrückten Ecken im oberen Bereich. Er spiegelt sich im Wasser der Auen. Vier Türen führen den Blick durch das Gebäude hindurch wieder in die Natur. Wir gehen hinein und möchten einfach nur bleiben. Weiße Wände, Blick in die Natur, mehr braucht es nicht für das Gefühl, an einem idealen Ort zu sein.

Vom „Turm“ führt der Weg zur „Schnecke“. Außen sieht man nur eine gewinkelte Mauer. Innen erscheint der Bau mit seinem dreieckigen Innenhof auf einmal raffiniert, denn seine Form ermöglicht es, Abteilungen zu schaffen. Hier nun hängt Kunst unter anderem von Rembrandt, Jean Fautrier, Medardo Rosso und Paul Cézanne. Auffällig sind die großartige Präsentation und die Hängung der Bilder. Noch nie habe ich eine Lücke in einer Reihe von Rem­brandt-Bildern so genial platziert gesehen.

Die Wirkung

Die unaufgeregte Präsentation der Kunst verstärkt die beruhigende Wirkung der Landschaft und der schlichten Architektur. Die Kuratierung ist unaufdringlich und ohne didaktischen Zeigefinger. Es gibt keinerlei Beschriftung. Kunst kommt hier ohne Gebrauchsanweisung aus. Wir dürfen einfach nur gucken. Uns wird die Begegnung mit der Kunst zugetraut, ohne sie zu ordnen, zu erklären, zu schützen oder zu inszenieren. Das wirkt sehr angenehm!

In Hombroich werden, so scheint es, durch die sich zurücknehmende Inszenierung der Objekte mögliche Störfaktoren absorbiert. Was bleibt, ist Konzentration, aktiver Stressabbau. Und reine Kunst.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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