Muslime zum Kopftuch-Verbot: Endlich Lehrerin sein dürfen

Viele Muslime freuen sich über die Aufhebung des Kopftuch-Urteils. Nun hoffen sie auf eine Signalwirkung – auch für andere Berufsgruppen.

Späte Bestätigung: die Lehrerin Fereshta Ludin, die 2003 noch vor dem Verfassungsgericht gescheitert war Bild: dpa

BERLIN taz | Tränken sie Alkohol, flögen bei vielen Muslimen jetzt wohl die Sektkorken. Die Freude über die Aufhebung des pauschalen Kopftuchverbots für Lehrerinnen an staatlichen Schulen ist groß, und viele nahmen in den Online–Netzwerken dazu spontan Stellung – zum Teil sehr emotional.

„Ich weine seit gestern alle paar Stunden. Ich weine sonst nie. Das will schon was heißen. Es hat sich anscheinend einiges angestaut“, schreibt etwa die Bloggerin und Juristin Betül Ulusoy auf ihrer Facebook-Seite. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts sei ein „großartiger Schritt in die richtige Richtung, an den ich so bald nicht mehr geglaubt hatte“. Mit ihrem Kopftuch könnte die Juristin nach gegenwäriger Gesetzeslage in Berlin nicht als Richterin oder Staatsanwältin arbeiten. Nun hofft sie, dass sich das ändern könnte.

Auch die Publizistin und Islamlehrerin Lamya Kaddor begrüßt, dass das Bundesverfassungsgericht sein eigenes Urteil aus dem Jahre 2003 nun korrigiert hat. „Seit Jahren ist es mir ein Anliegen, mich für die Anstellung von kopftuchtragenden muslimischen Lehrerinnen und anderen Bediensteten im öffentlichen Dienst einzusetzen“.

Sie hofft, das neue Urteil werde in die Gesellschaft hinein und auf andere Berufszweige ausstrahlen. „Genau das habe ich mir erhofft und das war eines der Gründe, mein Buch zu dem Thema zu schreiben“, schreibt auch ihre Autorenkollegin Khola Maryam Hübsch, die im vergangenen Jahr ein Buch über Islam und weibliche Emanzipation geschrieben hat, Titel: „Unter dem Schleier die Freiheit“.

Ein „Meilenstein“

Die muslimische Lehrerin Fereshta Ludin, die 2003 mit ihrem Fall noch vor dem Bundesverfassungsgerucht gescheitert war, zeigte sich ebenfalls erleichtert: „Es geht hier nicht um Siegen oder Triumphieren. Aber ich freue mich nach dieser langen Zeit, dass die Gerechtigkeit hergestellt ist“, erklärte die afghanische Diplomatentochter, deren Autobiografie im April erscheinen soll. „Die Gerichte sind – Gott sei Dank – klüger und weiser als unsere Politiker in diesem Land!“, erklärte Bülent Ucar, der als Professor islamische Theologie in Osnabrück lehrt. „Ich freue mich für unsere Studentinnen und Lehrerinnen, die seit Jahren unter dieser Schikane gelitten haben.“

Erfreut zeigten sich auch die offiziellen Islam-Verbände. Das Karlsruher Urteil würdige die Lebenswirklichkeit muslimischer Frauen in Deutschland, erklärt der Zentralrat der Muslime am Freitag in Köln. „Auch wenn das Urteil keine generelle Erlaubnis für das Kopftuch bedeutet, ist es sehr erfreulich“, so Generalsekretärin Nurhan Soykan. Ähnlich äußerten sich auch Sprecher des Verbands islamischer Kulturzentren (VIKZ) und der Islamischen Gemeischaft Milli Görüs. Der muslimische Verband Ditib bezeichnet das Urteil als „Meilenstein“.

Passend zum Urteil veröffentlichte das Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) am Freitag eine Studie, nach der 70 Prozent aller Jugendlichen zwischen 16 und 25 Jahre es für das gute Recht von muslimischen Lehrerinnen halten, im Unterricht ein Kopftuch zu tragen – bei den Schülern waren es sogar 75 Prozent.

Darin unterscheiden sie sich von älteren Befragten, von denen nur rund jeder Zweite diese Meinung teilt. Institutsleiterin Naika Foroutan begrüßte das Urteil, warnte aber auch vor einer Polarisierung. Eine starke Minderheit, die gegen Lehrerinnen mit Kopftuch sei, reiche schon aus, um den Schulfrieden zu stören.

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