Flucht über das Mittelmeer: UNHCR beklagt 700 Tote
Auf der Überfahrt von Libyen nach Italien sind in der vergangenen Woche hunderte Menschen umgekommen. Italien mahnt eine europäische Lösung an.
ROM taz | Das Massensterben im Mittelmeer geht weiter. Eine erneute Tragödie hat am Donnerstag nach Aussagen Überlebender womöglich mehr als 500 Menschenleben gefordert. Insgesamt liegt die Zahl der Opfer allein in den letzten Tagen nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks bei 700.
Nach ihrer Ankunft im sizilianischen Pozzallo berichteten die Bootsflüchtlinge vom Untergang eines Schiffs unweit der libyschen Küste. Nach den Zeugenberichten war vom libyschen Sabrata aus ein Konvoi, bestehend aus zwei Fischkuttern und einem Schlauchboot, in See gestochen. Der eine Kutter habe den zweiten im Schlepp gehabt, allein auf dem zweiten Boot befanden sich nach Schätzung des UNHCR 670 Menschen. Schon wenige Kilometer nach der Abfahrt sei der zweite Kutter leck geschlagen und langsam mit Wasser vollgelaufen. Daraufhin hätten die Schleuser auf dem ersten Boot das Tau gekappt.
Schon diese Aktion kostete eine Frau auf dem vorausfahrenden Schiff das Leben: Das zurückschnellende Tau trennte ihren Kopf fast ab. Das zweite Boot dagegen kenterte binnen weniger Minuten. Das UNHCR befürchtet, dass 550 von ihnen ertranken. Aufgrund von Zeugenaussagen identifizierten die italienischen Behörden am Samstag einen Sudanesen als Schleuser und nahmen ihn in Haft.
Schon am Mittwoch waren bei einem Schiffsuntergang zahlreiche Opfer zu beklagen. Nach dem Kentern eines von Libyen aus abgefahrener Boote waren fünf Leichen aus dem Wasser geborgen worden. Die Geretteten berichteten jedoch, dass hundert Menschen unter Deck eingeschlossen gewesen seien. Eine weitere Tragödie ereignete sich am Freitag. Nach der Havarie eines Flüchtlingsboots rettete ein italienisches Marineschiff zwar 135 Menschen, doch 45 Personen konnten nur noch tot aus dem Wasser geborgen werden, während dutzende weitere Menschen vermisst werden.
Allein in der letzten Woche machten sich von Libyen aus bei schönem Wetter und ruhiger See dutzende Schiffe, oft nicht hochseetaugliche Schlauchboote, von Libyen aus auf den Weg Richtung Italien. Bis zum Sonntag retteten Boote der italienischen Küstenwache, Marineeinheiten Italiens und anderer Staaten, Schiffe von Hilfsorganisationen etwa 14.000 Menschen aus Seenot und brachten sie in die Häfen Siziliens und Süditaliens.
Unterschiedliche Fluchtbewegungen
So hoch diese Zahlen auf den ersten Blick sind, so liegen sie doch bisher nicht über dem Niveau der beiden Vorjahre, als bis Ende Mai auch jeweils gut 40.000 Personen auf dem Seeweg nach Italien flüchteten. Dennoch kursieren in Italien Schätzungen, dass dieses Jahr etwa 200.000 Menschen von Libyen aus die Überfahrt antreten könnten, während 2015 gut 150.000 kamen. Danach halten sich etwa 270.000 zur Abfahrt bereite Personen in den Küstenorten Libyens auf. Das Gros der Flüchtlinge stammt aus Westafrika.
Die Internationale Organisation für Migration (IOM) nennt für 2016 als erste fünf Herkunftsnationen Nigeria, Gambia, Senegal, Guinea und die Elfenbeinküste. Schon diese Tatsache zeigt, dass die gegenwärtigen Fluchtbewegungen Richtung Italien nichts mit der Schließung der griechisch-türkischen Seegrenze und der Balkanroute zu tun hat: Auf diesem Weg gelangten vor allem Syrer, Iraker und Afghanen nach Europa.
Das Projekt: Die Europäische Grenzpolitik will Flüchtlinge von Europa fern halten. Aber für fliehende Menschen gibt es oft keinen Weg zurück. Es entstehen neue Routen, andere Wege. In einer interaktiven Onlinegrafik auf taz.de/fluchtrouten zeigen wir, wie politische Entscheidungen die Fluchtrouten in den vergangenen beiden Jahren beeinflusst haben.
Vor diesem Hintergrund mahnt Italien erneut eine europäische Lösung an. Nach den bisher vereinbarten Umverteilungsmechanismen sollte Italien knapp 40.000 Flüchtlinge an andere EU-Länder abgeben. Bisher jedoch wurden im Rahmen dieses Programms nur 591 in Italien registrierte Flüchtlinge von anderen europäischen Staaten übernommen.
Leser*innenkommentare
Dieter Minne
Ein Kabarettist in WDR5 hat es einmal ganz deutlich gesagt:
Entweder Europa teilt seinen Reichtum mit den Menschen aus Afrika, indem es eine andere Politik gegenüber den afrikanischen Staaten betreibt
oder die Menschen werden sich auf den Weg nach Europa machen und wir werden unseren Reichtum hier mit ihnen teilen.
Heute befahren große Fischtrawler der EU die afrikanischen Küsten und fischen den afrikanischen Fischern alles weg. Deren Lebensgrundlage ist damit zerstört.
Auch werden die afrikanischen Länder mittel Abkommen gezwungen, landwirtschaftliche Produkte aus der EU zu kaufen. Diese sind im Preis heruntersubventioniert und zerstören so die heimischen Landwirtschaft in den afrikanischen Ländern.
Dieses Politik gehört sofort geändert. Alle Passagen in Abkommen mit der EU, die afrikanische Länder zwingen, landwirtschaftliche Produkte aus der EU einzuführen, gehören sofort ausser Kraft gesetzt.
Peter Meisel
Für das Geld, das die Asyl Suchenden den "Schleppern" zahlen müssen, könnten wir ihnen dafür locker einen halbwegs sicheren Charterflug anbieten und die Überlebens Chance wäre wesentlich höher?
Ich schäme mich für den von uns benutzten Begriff "kriminelle Schlepper" statt den Menschen in ihrer Not zu helfen!
Das Thema im Mittelmeer ertrinken, ist uns dank CHARLIE HEBDO schon lange bekannt. Trotzdem reden wir von einer Werte-Gemeinschaft? Titel: Eine Titanic pro Woche
Georg Schmidt
trotz aufwendigem einsatzes gelingt es ncht, die SChleuserei zu unterbinden, man kann sagen direkt unter der nase der internationalen TRuppen, 700 tote, rechnet man pro Flüchtling 2000€ sind das1.400.000€ ein gutes Geschäft, möchte man sagen 1