Nach Sturm auf Kongress in Brasilien: Haftbefehl gegen Ex-Sicherheitschef

Dem Bolsonaro-Vertrauten wird Fehlverhalten beim Sturm auf den Kongress in der Hauptstadt Brasília vorgeworfen. Während des Angriffs urlaubte er in den USA.

Hinter einer zerstörten Fahne weht die brasilianische Fahne

Zerstörung in Brasília: Die Wut der Stürmenden entlud sich auch gegen die Glasscheiben Foto: Ricardo Moraes/rtr

BRASÍLIA afp/dpa | Zwei Tage nach der Erstürmung des brasilianischen Kongresses und anderer staatlicher Gebäude ist Haftbefehl gegen den entlassenen Sicherheitschef der Hauptstadt Brasília, Anderson Torres, erlassen worden.

Richter Alexandre Moraes vom Obersten Gericht erließ am Dienstag zudem Haftbefehl gegen den nach dem Angriff auf die höchsten staatlichen Institutionen ebenfalls gefeuerten Chef der Militärpolizei in Brasília, Fabio Augusto.

Torres ist ein Vertrauter des früheren Präsidenten Jair Bolsonaro. Er war vormals Justizminister im Kabinett des rechtsradikalen Ex-Staatschefs. Torres' Versäumnis, den Angriff auf die staatlichen Einrichtungen zu verhindern, sei „potenziell kriminell“, erklärte Richter Moraes.

Torres befand sich während des Angriffs auf die staatlichen Institutionen im Urlaub in den USA. Am Dienstag dementierte er jede Komplizenschaft mit den Randalierern und kündigte an, er werde nach Brasilien zurückkehren, um sich zu verteidigen. Der entlassene Militärpolizei-Chef Augusto wurde laut Medienberichten bereits festgenommen.

Ein Schaden von über 540.000 Euro

Hunderte Bolsonaro-Anhänger waren am Sonntag in Brasília in das Kongressgebäude, den Präsidentenpalast und den Sitz des Obersten Gerichts eingedrungen und hatten dort stundenlang schwere Verwüstungen angerichtet. Dabei entlud sich ihr Zorn über den Wahlsieg des Linkspolitikers Luiz Inácio Lula da Silva, der sich in einer Stichwahl knapp gegen Bolsonaro durchgesetzt hatte und seit Jahresbeginn im Amt ist.

Bei der Erstürmung sollen allein in der Abgeordnetenkammer, die ein Teil des Kongressgebäudes ist, mindestens Schäden in Höhe von über drei Millionen Reais (rund 540.000 Euro) angerichtet worden sein. Die Summe der vorläufigen Schätzung beziehe sich auf zerstörte Möbel, Fensterscheiben und Computer, die ersetzt werden könnten, teilte die Abgeordnetenkammer am Dienstag mit. Der Wert der zerstörten und gestohlenen Kunstwerte hingegen sei hingegen noch nicht abschätzbar. Für die weiteren erstürmten Gebäude liegen noch keine Schätzungen vor.

Die Sicherheitskräfte in Brasília sind außerdem wegen ihres Verhaltens während des Angriffs stark in die Kritik geraten. Videos in den Onlinenetzwerken zeigen, wie einige Mitglieder der Sicherheitskräfte die Erstürmung der staatlichen Gebäude filmten, anstatt dagegen einzuschreiten.

Am Dienstag setzte die brasilianische Polizei hunderte in Brasília festgenommene Bolsonaro-Anhänger wieder auf freien Fuß. Die Freilassung von knapp 600 Festgenommenen sei „aus humanitären Gründen“ erfolgt, hieß es. Bei ihnen handle es sich um ältere oder kranke Menschen oder Mütter mit kleinen Kindern. 527 andere Festgenommene wurden den Polizei-Angaben zufolge in eine Strafanstalt der Hauptstadt gebracht. Insgesamt waren nach dem Sturm auf die staatlichen Institutionen und bei der Auflösung eines Protestlagers von Bolsonaro-Anhängern nach Polizeiangaben rund 1.500 Menschen festgenommen worden.

Bolsonaro plant Rückkehr

Ex-Präsident Jair Bolsonaro peilt derweil eine vorzeitige Rückkehr aus den USA in sein Heimatland an. „Ich bin gekommen, um bis Ende des Monats zu bleiben, aber ich habe vor, meine Rückkehr vorzuziehen“, sagte Bolsonaro CNN Brasil nach seiner Entlassung aus einem US-Krankenhaus am Dienstag.

Bolsonaro war Anfang der Woche wegen starker Bauchschmerzen in ein US-Krankenhaus eingeliefert worden. Zwei Tage vor dem Ende seiner Amtszeit an Neujahr war Bolsonaro mit seiner Familie in die USA geflogen, wo er sich seither im Bundesstaat Florida aufhielt.

Das US-Außenministerium wollte den Aufenthaltsstatus von Bolsonaro in den USA nicht kommentieren. Einen Auslieferungsantrag gegen den früheren Staatschef hatte die US-Regierung nach eigenen Angaben jedoch nicht erhalten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.