Nachruf auf Lore Maria Peschel-Gutzeit: Vorkämpferin für Frauenrechte

Die frühere Hamburger Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit starb mit 90 Jahren. Sie stritt schon in den 1970ern gegen Sexismus auf Titelblättern.

Im Alter von 90 Jahren gestorben: Hamburgs frühere Justizsenatorin Maria Peschel-Gutzeit (SPD) Foto: Eventpress/Imago

HAMBURG taz | Von Hamburgs Straßen waren im Jahr 2001 über 2.000 nach Männern benannt und nur 275 nach Frauen. Da ließ Lore Maria Peschel-Gutzeit als damals auch für Bezirke zuständige Justizsenatorin an 14 Straßen Zusatzschilder anbringen, die auf die ebenso bedeutende Frau oder Verwandte dieses Mannes hinwiesen.

Es ist ein kleiner Fund aus dem taz-Archiv, das über 500 Treffer mit ihrem Namen aufweist. Im März 2013 zum Beispiel war es die inzwischen als Anwältin arbeitende Ex-Senatorin, die als prominente Stimme Hamburg davor warnte, den separaten Frauenvollzug hin zum großen Männer-Gefängnisses zu verlagern. Oder: 1996 untersagte die zwischenzeitlich in Berlin amtierende Justizsenatorin den Einsatz von Brechmitteln zur Sicherung von verschluckten Drogen.

Die Juristin ist am 2. September im Alter von 90 Jahren gestorben. Sie galt als Vorkämpferin der Frauenrechte. Alice Schwarzer, mit der sie befreundet war, schreibt, Peschel-Gutzeit habe sich selbst „Wolf im Schafspelz“ genannt. Mit ihrem Faible für klassische Kostüme und Schleifenblusen sei Lore Maria „äußerlich eine hanseatische Lady, innerlich aber eine echte Radikale“ gewesen, habe nicht erst auf die Frauenbewegung gewartet, um loszulegen.

Was viele Lehrkräfte vielleicht nicht ahnen: Das Recht auf Teilzeit im öffentlichen Dienst, das Job und Familie gut vereinbaren lässt, hat Peschel-Gutzeit 1968 über ihre Tätigkeit im Juristinnenbund durchgesetzt. Damals war sie Richterin in Hamburg und alleinerziehende Mutter von drei Kindern. Selbst hat sie davon nicht Gebrauch gemacht, wie sie später in der Emma berichtete.

Engagement im Hintergrund

Die Frauenbewegung der 1970er sei ihr dann gerade recht gekommen. 1978 sei sie mit der Anwältin Gisela Wild in der Emma-Redaktion in Köln aufgetaucht, um mit Schwarzer die legendäre Klage gegen den Stern wegen sexistischer Titelbilder zu formulieren. Dabei war der Richterin klar, dass die Klage nur moralisch zu gewinnen war, weil es kein Gesetz gab, das sexistische Bilder unter Strafe stellte.

Zehn Jahre später trat Peschel-Gutzeit in die SPD ein, weil sie politisch mehr bewegen wollte, als es ihr als Richterin möglich war. Und sie erarbeitete im Rahmen der „PorNO-Kampagne“ der Emma einen Gesetzentwurf gegen Pornografie. Mit dem Ziel, die Frauen als Gruppe gegen „Pornografisierung und Diskriminierung in der Öffentlichkeit wirksam zu schützen“. Zu dem Entwurf gab es eine Anhörung im Bundestag, aber er fand keine Mehrheit. Mit der Pornografisierung der Gesellschaft sei es später noch viel schlimmer geworden, sagte sie rückblickend. „Aber wir haben ein gewisses Bewusstsein geschaffen.“

Peschel-Gutzeit stritt auch für die Renten für pflegende Frauen und setzte sich dafür ein, dass 2000 die Prügelstrafe für Kinder geächtet wurde. Sie war Vorsitzende der „Deutschen Liga für das Kind“. Und noch 2019 gründete sie eine Familienrechtskanzlei am Berliner Kurfürstendamm. Laut Schwarzer war sie dort noch am Tag vor ihrem Tod.

Dass der Entwurf für jenes als männerfeindlich und laienhaft kritisierte Anti-Pornogesetz in der Hamburger Wohnung der Richterin entstand, habe man damals geheim gehalten und erst später publiziert, schreibt Schwarzer. Peschel-Gutzeit selbst sagte 2020 im Deutschlandfunk, sie sei überzeugt, dass man die meisten Konflikte in Verhandlungen lösen kann. Sie habe Schwarzer immer gesagt, sie beide hätten ähnliche Ziele, aber unterschiedliche Mittel. „Du gehst auf die Straße und rührst die Trommel, und ich argumentiere.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.