Nachwahlen in England: Johnsons Wahlkreis bleibt Tory

Im Wahlkreis des früheren Premierministers Boris Johnson gewinnen die Konservativen. Labour und Liberale holen andere Wahlkreise.

Premierminister Sunak mit dem Abgeordneten Steve Tuckwell.

Premier Rishi Sunak mit Steve Tuckwell, dem Johnson-Nachfolger im Parlament, am 21. Juli Foto: Carl Court/reuters

LONDON taz | Im Nordlondoner Wahlkreis Uxbridge und South Ruislip wurde in Rekordzeit ausgezählt, am frühen Morgen stand das Ergebnis bereits fest: Der konservative Kandidat Steve Tuckwell hat die Nachwahl der Lokalwahlen gewonnen – trotz des spektakulären Rücktritts des vorherigen konservativen Abgeordneten und Ex-Premierministers Boris Johnson.

Der Labour-Kandidat Danny Beales kam zwar einem Sieg unwahrscheinlich nahe – so nahe wie in diesem Wahlkreis seit über 50 Jahren nicht – doch am Ende fehlten ihm genau 406 Stimmen zum Erfolg. Der ehemalige Postbote Tuckwell gewann mit insgesamt 13.965 Stimmen.

In Tuckwells Siegesrede spielte Beales keine Rolle – dafür aber Londons Labour-Bürgermeister Sadiq Khan. Der möchte im August eine Niedrigemmissionszone in den Außenbezirken einführen – ein für die Gegend schädliches und kostenaufwendiges Projekt, sagt Tuckwell. Die Wahlgemeinde hätte sich – unter anderem – deshalb für ihn ausgesprochen, meint er.

Die Einführung der Niedrigemmissionszone scheint tatsächlich ein Thema gewesen zu sein, das in den an den öffentlichen Nahverkehr weniger gut angebundenen Außenbezirken Londons der Labour-Partei die Wahlen kostete. Wessen Fahrzeug das strikte Emmissionslimit nicht einhält, muss ab August täglich 12.50 Pfund zahlen, um damit fahren zu dürfen.

Wie kann Labour Transformation gerechter gestalten?

Tuckwells Sieg hat weitere Gründe: Oft schließen die Parteien links vom Zentrum in den Wahlkreisen, in denen ihre Erfolgsaussichten eher schlecht sind, Abkommen miteinander: Nur die aussichtsreichste Partei tritt an, um so die konservativen Torys zu schlagen. Die 526 Wäh­le­r:in­nen der Grünen Sarah Green oder die Stimmen, die der liberaldemokratische Blaise Baquiche bekam, hätten Beales zum Sieg verholfen.

Viele in Uxbrdige und South Ruislip scheinen außerdem gar nicht gewählt zu haben. Die Wahlbeteiligung im Wahlkreis liegt normalerweise bei mindestens 63 Prozent, 2019 waren es sogar über 68. Diesmal gingen nur knapp 46 Prozent aller Berechtigten zur Wahl.

Tatsächlich muss sich Labour fragen: Wie kann die Einführung der Niedrigemissionszonen und der Umschwung zu weniger schädlichen Fahrzeugen sozial gerechter werden? Denn wenn sie so weiter machen, könnte Labour – wenn im Mai 2024 wieder Wahlen in London anstehen – auch die Wahl zum Bürgermeister oder dem Stadtrat (Greater London Assembly) verlieren.

In Nord Yorkshire gewinnt Labour

Auch Labour legte aber einen überraschenden Sieg hin: In Selby und Ainsty in Nord Yorkshire gewann der 25-jährige Keir Mather. Es war das erste Mal seit 2005, dass Labour dort gewinnen konnte. Mather gewann robust mit knapp 16.500 gegen fast 12.300 Stimmen gegen die Konservativen. Der konservative und Boris Johnson nahestehende Nigel Adams gewann hier 2019 hier noch mit etwa 60 Prozent aller Stimmen.

Adams war aufgrund von Boris Johnsons Rücktritt ebenfalls zurückgetreten, was in Selby und Ainsty Nachwahlen auslöste. Mather erklärte in seiner Siegesrede, dass sich vieles in der Gegend durch die 13 Jahre anhaltende konservative Regierung verschlechtert habe, und versprach Verbesserungen. Bei seinem Amtsantritt wird er der jüngste Abgeordnete im Unterhaus werden.

Vielversprechend war auch der Sieg der liberaldemokratischen Sarah Dyke im westenglischen Somerton und Frome. Dyke, die dort aus einer bekannten und seit Generationen Landwirtschaft betreibenden Familie stammt, erhielt fast 55 Prozent aller Stimmen, die konservative Kandidatin nur knapp 26. Nachwahlen gab es hier, weil der konservative David Warburton aufgrund sexuellen Missbrauchs und wegen nicht deklarierten Geldes aufgefallen war und zurücktrat.

Für die Li­be­ral­de­mo­kra­t:in­nen bedeutet der Sieg die Rückeroberung eines Sitzes, den sie zwischen 1997 und 2015 inne hatten. Sarah Dyke verwies nach ihrem Sieg darauf, dass Somerton und Frome nun sowohl kommunalpolitisch als auch im Unterhaus liberaldemokratisch vertreten sei. Die Li­be­ral­de­mo­kra­t:in­nen seien nun wieder eine Kraft im Westen Englands. Nach einer Koalition mit den Konservativen hatte die Partei ab 2005 stark eingebüßt. Danach hatte ihre klare Stellung gegen den Brexit ihnen in vielen Regionen geschadet.

Der allgemeine Wahltrend sollte Labour Zuversicht geben

Das scheint nun Geschichte: Gerade im wohlhabenderen Süden und in westenglischen Wahlkreisen erwarten die Li­be­ral­de­mo­kra­t:in­nen weiter zu punkten. Somerton und Frome folgt auf Erfolge in den Wahlkreisen Tiverton und Honiton 2022, in North Shropshire und in Chesham und Amersham in 2021.

Der allgemeine Trend spricht aber für Labour: Die Partei konnte bei den Kommunalwahlen im Mai ordentlich punkten, die Torys verloren ihre Mehrheit in über 40 Bezirken und Städten, Labour gewann 22 Kommunalregierungen und wurde so die stärkste kommunale Kraft in England. Auch ein robustes Plus von über 20 Prozent in Meinungsumfragen stimmt Labour wohl zuversichtlich.

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