Nebenaktivitäten von Journalisten: Unter einer Decke

Ein Internetmodul zeigt die Verbindungen zwischen Printjournalisten und Politik und Wirtschaft. Die Idee ist gut, doch sie hat ihre Schwächen.

„Zeit“-Mitherausgeber Josef Joffe im Gespräch mit Christian Wulff. Bild: dpa

Zeit, Süddeutsche, FAZ und Bild – „alle diese Zeitungen nur so etwas wie die Lokalausgaben der Nato-Pressestelle?“ Das zumindest haben die ZDF-Kabarettisten Max Uthoff und Claus von Wagner – natürlich satirisch überspitzt – in der Sendung „Die Anstalt“ behauptet. Auf einer Schautafel markierten sie die Verbindungen führender deutscher Journalisten zu transatlantischen Vereinen, zur „Atlantik-Brücke“, zur Bundesakademie für Sicherheitspolitik und zur Münchner Sicherheitskonferenz. Für diesen Beitrag haben sie eine Menge Ärger von Journalisten gekriegt. Vom Publikum gab es hingegen viel Applaus.

Wissen, welche Interessen der Autor eines Artikels hat und ob er Mitglied in einer Partei oder einem Lobbyverband ist, dieses Ziel verfolgt auch das Add-on „cahoots“. Zwei Studenten haben das Zusatzmodul für den Internetbrowser entwickelt. Einmal installiert, zeigt „cahoots“ bei jedem Zeitungsartikel, ob der Autor Mitglied in Politik- oder Wirtschaftsverbänden ist. Und wenn ja, in welchen. Knapp 1.400 Menschen haben sich das Modul bereits heruntergeladen.

Als die Folge der „Anstalt“ zum Thema Unabhängigkeit im Journalismus am 29. April ausgestrahlt wurde, waren die beiden Entwickler, Alexander Barnickel und Jonas Bergmeier, gerade auf der Suche nach einem Thema für ein Uniprojekt zu „Protest“. Den Beitrag fand Branickel „schon ziemlich protestwürdig.“ Jetzt, fünf Monate später, ist „cahoots“ fertig.

Es funktioniert ähnlich wie die Schautafel bei Uthoff und Wagner: Liest man auf der Onlineseite einer Zeitung einen Artikel, dessen Autor in der Datenbank eingespeichert ist, erscheint neben dem Autorennamen ein kleiner roter Punkt. Geht man mit der Maus darüber, erscheint ein Kasten. Darin stehen die Organisationen, in denen der Autor Mitglied ist.

Dass das mit der Transparenz aber nicht immer so einfach ist, mussten schon die „Anstalt“-Moderatoren Uthoff und Wagner feststellen. Die zwei Zeit-Journalisten Jochen Bittner und Josef Joffe erwirkten eine einstweilige Verfügung gegen die „Anstalt“, die Folge wurde aus der Mediathek entfernt. Dagegen legte wiederum das ZDF Widerspruch ein. Die Vorwürfe gegen sie seien falsch, sagen Joffe und Bittner. Sie seien satirisch überspitzt, sagt das ZDF. Am kommenden Freitag soll die Hauptverhandlung zwischen dem Sender und den Journalisten sein. Bis die Streitigkeit beigelegt ist, bleibt die Folge gesperrt. Joffe und Bittner tauchen auch in der „cahoots“-Datenbank auf – doch ohne die Verbindungen, um die es in dem Rechtsstreit geht.

Jeder kann mitmachen

An „cahoots“ arbeiten Barnickel und Bergmeier inzwischen längst nicht mehr alleine: Die beiden Entwickler haben den Quellcode online gestellt. Jeder Internetnutzer kann das Add-on mit bearbeiten – oder aber neue Journalisten und deren Verbindungen in die „cahoots“-Datenbank eintragen. Barnickel und Bergmeier überprüfen, ob die Verbindungen auch tatsächlich stimmen, und „genehmigen“ den Eintrag.

Aktuell sind rund 50 Journalisten in „cahoots“ eingetragen, die meisten neuen Einträge stammen inzwischen aus der Community. Und nicht nur die „Atlantik-Brücke“ findet sich in der Datenbank: Auch eine Mitgliedschaft im Chaos Computer Club kann einem einen Eintrag bescheren.

Diese Wahllosigkeit ist auch die größte Schwäche des Add-ons. Denn es gibt – zumindest aktuell – keine Grenze: Jeder Internetnutzer kann zum Hobbydetektiv werden und Journalisten und deren Vereinsmitgliedschaften in die Datenbank eintragen. Aber nicht jede private Mitgliedschaft eines Journalisten hat auch etwas mit seiner Berichterstattung zu tun: Muss auch ein Sportjournalist seine Parteizugehörigkeit offenlegen? Was ist mit der Lokaljournalistin, die sich in ihrer Freizeit bei Greenpeace engagiert? Und woher weiß man, ob die jeweilige Mitgliedschaft überhaupt einen Einfluss auf die Berichterstattung hat?

Cahoots trifft einen Nerv, es könnte einen wichtigen Schritt hin zu der längst überfälligen Debatte um Transparenz im Journalismus markieren. Aber um das zu schaffen, müssen diese Fragen beantwortet werden. Es ist eine schwierige Gradwanderung: Wie schafft man es, Verstrickungen führender Journalisten in Wirtschaft und Politik öffentlich zu machen, ohne dabei das Persönlichkeitsrecht der Lokaljournalistin von nebenan zu verletzen? Wo verläuft die Grenze zwischen öffentlichem Interesse und Privatsphäre?

Die perfekte Antwort darauf ist noch nicht gefunden. Aber, sagt Entwickler Barnickel: „Wir sehen Cahoots auch noch lange nicht als fertig an.“

Aktuell wissen die beiden Studenten noch nicht einmal, welche Note sie auf ihr Projekt bekommen haben.

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