Neue Wege beim Waldumbau: Vor dem Feuer

Was tun, wenn‘s brennt? Die Stiftung Stift Neuzelle will nicht warten, bis das Feuer wütet. Waldbrandschutz und Waldumbau sollen Hand in Hand gehen.

Eine junge Eiche

Wenn das Wild wegbleibt, spielt die Eiche einmal Feuerlöscher Foto: Stefan Binder

SCHERNSDORF taz | So viel Symbolik wäre eigentlich gar nicht nötig gewesen. Einige Tage, bevor Boris Schnittker am Mittwoch durch den Neuzeller Stiftswald führte, war in Brandenburg wieder Waldbrandalarm. In allen Landkreisen gilt seit Pfingsten mindestens Alarmstufe III. Das bedeutet, dass eine erhöhte Waldbrandgefahr vorliegt. Ohnehin ist Brandenburg nach Angaben des Landesbetriebs Forst das Bundesland mit der höchsten Waldbrandgefährdung in Deutschland.

Auch Boris Schnittker rechnet in diesem Jahr wieder mit größeren Waldbränden in Brandenburg. „Die Gefahr ist realistisch, dass auch wir in unseren Beständen ein Großschadensereignis haben werden“, sagt der Leiter der Forstabteilung der Stiftung Stift Neuzelle, die mit 9.100 Hektar Wald einer der größten privaten Waldbesitzer in Brandenburg ist. „Die Frage ist nur, wie man mit der zunehmenden Waldbrandgefahr umgeht.“ Seit Mittwochabend brennt es erneut auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz bei Jüterbog.

Schnittkers Stiftung jedenfalls will es nicht bei der Sanierung von Löschwasserbrunnen oder der Instandsetzung der Waldwege belassen. „Manche legen die Hände in den Schoß und hoffen, dass nichts passiert“, sagt er. „Doch das ist der falsche Weg.“

Schnittkers Weg ist der der Prävention. Nahe Schernsdorf im Ostbrandenburger Schlaubetal zeigt er, welche vorbeugenden Maßnahmen gegen Großbrände möglich sind. „Wir errichten Brandriegel im Wald“, sagt er. Das Neue daran: Die Brand­riegel sollen nicht nur die Ausbreitung von Bränden verhindern. Sie sind auch ein Teil der Maßnahmen für den Umbau der Kiefernbestände in Mischwälder.

Eingeladen zur Exkursion Waldumbau und Waldbrandschutz hatte die grüne Landtagsabgeordnete Isabell Hiekel. „In Brandenburg ist nur ein Drittel des Waldes Landeswald“, sagt sie. Die beiden anderen Drittel gehören entweder den Kommunen oder sind privat. „Wenn wir das Thema ernst nehmen, müssen wir auch mit den Privaten zusammenarbeiten“, sagt Hiekel. Bei Boris Schnittker und der Stiftung Stift Neuzelle rennt sie damit offene Türen ein.

Nahe Schernsdorf kann Schnittker zeigen, wie die ­Brandriegel, die im vergangenen Winter gezogen wurden, aussehen. Die bestehenden Waldwege wurden durch die Entnahme von Kiefern um drei bis fünf Meter verbreitert. Außerdem wurde das Kronendach aufgelockert. „Das Feuer kann damit nicht mehr so leicht überspringen“, betont Schnittker.

Wo sich zuvor die Kiefern reihten, sind neben den Wegen zusätzlich Furchen gezogen worden. „750.000 Eicheln wurden dort im Winter ausgesät“, sagt Schnittker. Auf eine natürliche Waldverjüngung hätte man zu lange warten müssen. Das Saatgut stammt aus den ausgedehnten Eichenbeständen der Stiftung. Waldumbau mit Bordmitteln gewissermaßen.

Rechts und links der Wege entstehen in den kommenden Jahren nun Waldränder mit Laubbäumen, die nicht so schnell in Brand geraten wie ein Kiefernacker.

„Alle Kraft in die Wege setzen“, heißt das Motto im Neuzeller Stiftswald. „Die Waldwege sind bei uns der Ausgangspunkt für die Waldumwandlung“, sagt Boris Schnittker. Gleichzeitig sollen die Wege auch für die Feuerwehr ertüchtigt werden. „Die Feuerwehr sagt, wir müssen nicht nur rein in die Wälder“, sagt er. „Die müssen bei einem Großschadensereignis auch wieder raus, um einer Feuerwalze zu entkommen.“

Mehr als 500 Waldbrände hat es in Brandenburg im vergangenen Jahr gegeben. „Enorm gefordert“ habe das die Feuerwehren des Landes, hatte Innenminister Michael Stübgen (CDU) bei der Vorstellung des Waldbrandberichts 2022 gesagt.

Das kann auch Mario Quast bestätigen, obwohl das Amt Schlaubetal, dessen Amtsdirektor Quast ist, von Großbränden bislang verschont wurde.

„Aber auch so ist die Feuerwehr im Amt im vergangenen Jahr 150 Mal ausgerückt“, sagt Quast, der zugleich auch oberster Feuerwehrmann des Amtes mit seinen 10.000 Bewohnerinnen und Bewohner ist. „Wir haben zwar inzwischen überall moderne Technik“, erzählt Quast auf der Exkursion von Isabell Hiekel. „Aber es gibt immer weniger Freiwillige bei den Feuerwehren.“

Hinzu kommen Rettungseinsätze, die auch mit dem Klimawandel zu tun hätten. „Wir müssen immer mehr Menschen aus ihren Wohnungen holen, die unter der Hitze leiden.“ Die Waldumbaumaßnahmen und Brand­riegel unterstützt Quast deshalb.

Dass das Pilotprojekt Brandriegel in diesem Jahr gestartet wurde, hat auch mit der Afrikanischen Schweinepest zu tun, die im Landkreis Oder-Spree, zu dem das Amt Schlaubetal gehört, besonders arg wütete. „Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht“, lächelt Schnittker und weist auf den positiven Nebeneffekt der Seuche hin. „Die Bestände an Schwarzwild sind derzeit sehr reduziert“, sagt er.

Weil in den Kernzonen der Schweinepest Wildschweine massiv gejagt wurden, können sie nun die Eichelsaat nicht auffressen. In normalen Jahren, so Schnittker, wären von den 750.000 Eicheln vielleicht 50.000 übriggeblieben. So aber können die Eichen zu Brandwällen werden und gleichzeitig die Kiefern ersetzen.

Drei Jahre soll der Umbau der Wege dauern. Drei Jahre, in denen noch das Prinzip Hoffnung gilt. Bleiben die Stiftswälder bis dahin von Waldbränden verschont, kann die Stiftung Stift Neuzelle sagen: Alles richtig gemacht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.