Neuer Erlass in Schleswig-Holstein: Keine Abschiebung mehr aus Kliniken

Wenn Geflüchtete wegen einer akuten Krankheit behandelt werden, sollen sie in Schleswig-Holstein künftig nicht mehr abgeschoben werden.

Eine Frau sitzt in einem Zimmer auf einem Bett. Neben der Tür steht auf einem Schild: Patientenzimmer 4

Soll künftig vor Abschiebungen geschützt sein: Frau in einer psychiatrischen Klinik Foto: Michael Reichel/dpa

KIEL taz | Geflüchtete, die wegen einer akuten Krankheit in einer Klinik behandelt werden, sollen in Schleswig-Holstein künftig nicht mehr abgeschoben werden. Dafür hat das Sozial- und Integrationsministerium in Kiel seinem Rückführungserlass geändert. Anlass war der Fall einer 37-jährigen Tunesierin, die aus der psychiatrischen Fachklinik Rickling im Kreis Segeberg nach Schweden abgeschoben wurde.

Kräfte der Bundespolizei hatten Mariem F. nachts aus dem evangelischen Krankenhaus Rickling abgeholt. Die Frau wurde nach Schweden gebracht, wo die Tunesierin zuerst einen Asylantrag gestellt hatte. In ihrem Herkunftsland drohen ihr als lesbischer Frau Gefängnis oder Zwangsbehandlung. Doch Schweden lehnte ihren Antrag ab, F. war daraufhin nach Deutschland weitergereist.

Hier ordnete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) an, sie nach Schweden zurückzuschicken – so wollen es die Regeln des Dublin-Verfahrens, nach dem nur das EU-Land zuständig sein soll, in dem Geflüchtete erstmals aktenkundig werden.

Die Frau war in Rickling wegen des Verdachts auf Suizidgefahr in Behandlung. Gegen die Abschiebung aus dem Krankenhausbett hatten Geflüchtetenorganisationen scharf protestiert.

Das von der Grünen Aminata Touré geführte Integrationsministerium des Landes war nicht im Vorfeld über den Fall informiert, teilte eine Sprecherin auf taz-Anfrage mit. „Nachdem wir von der Rückführung von Mariem F. erfahren haben, haben wir rechtlich nichts zu beanstanden gehabt“, so die Sprecherin weiter. „Allerdings unterliegt Verwaltungshandeln, insbesondere Zwangsmaßnahmen, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Deshalb haben wir diesen Fall zum Anlass genommen, um unseren aktuellen Rückführungserlass zu überprüfen.“

Abschieben erst nach der Behandlung

Bereits am Donnerstag legte das Ministerium seinen überarbeiteten Erlass vor. Demnach soll ein Krankenhausaufenthalt einer ausreisepflichtigen Aus­län­de­r*in „im Regelfall ein Abschiebungs- oder Überstellungshindernis darstellen“.

Landespastor und Diakonievorstand Heiko Naß lobte die rasche Umsetzung: „Es ist richtig, kranke Menschen, die sich in einer stationären Behandlung befinden, nicht mehr abzuschieben.“ Nicht nur für die Betroffenen sei die Lage schwierig: „Die Abschiebung der Frau aus dem Psychiatrischen Krankenhaus in Rickling hat dort für große Unruhe gesorgt und sich destabilisierend auf einige Mitpatienten ausgewirkt.“ Die Neuregelung gebe auch der Belegschaft der Krankenhäuser mehr Sicherheit.

Laut dem überarbeiteten Erlass soll künftig abgewartet werden, dass die Klinik die stationäre Behandlung für beendet erklärt und die ausreisepflichte Person entlässt. Dann müsse die Reisefähigkeit ärztlich festgestellt werden“, heißt es in einer Mitteilung des Ministeriums. Auch im Fall von Mariem F. war ein Arzt beteiligt, der ihre Reisefähigkeit feststellte und sie auch im Flieger begleitete. In Schweden wurde sie in eine Abschiebehaft gebracht.

Tunesien ist in Deutschland als so genannter sicherer Herkunftsstaat anerkannt. Auf EU-Ebene gibt es eine strategische Partnerschaft mit dem Land, das Ziel ist, Geflüchtete anderer afrikanischer Staaten von der Überfahrt nach Europa zurückzuhalten.

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