Neues Album „Fieber“ von OG Keemo: Geld allein

Back in the Game: OG Keemo will an seine Erfolge als Straßenrapper und Wohnblock-Chronist anknüpfen. Gelingt ihm das?

OG Keemo mit Kapuze.

Hin und wieder ruhige Tracks mit Oldschool-Vibe – OG Keemo Foto: LeBerg

Der Block hat Fieber. 99 Grad. Der Siedepunkt ist fast erreicht und daher kühlen und heizen OG Keemo und Funkvater Frank gleichzeitig die Stimmung mit ihrem neuen Mixtape „Fieber“. Es schließt direkt an die Musik ihres Albums „Geist“ (2019) an. Mit den Songs machten OG Keemo und Funkvater Frank damals erstmals auf sich aufmerksam und erreichten auch jenseits der Deutschrap-Szene viele Hörer:Innen.

Mit harten Bässen, klugen Reimen und roher Energie läuteten die beiden Mannheimer ein neues Level im deutschsprachigen Straßenrap ein. Nur, um sich mit dem nächsten Werk „Mann beißt Hund“ (2022) noch mal selbst zu übertreffen. War das doch ein Konzeptalbum, in dem der Rapper OG Keemo über den Alltag in einem Wohnsilo aus Sicht von drei fiktiven Jugendlichen reflektierte. Für die Musik von „Mann beißt Hund“ blieb das Energielevel von „Geist“ zwar bestehen, aber damals standen die ruhigen Instrumentals von Frank im Vordergrund. Sie waren mindestens so gut wie die emotional mitreißenden Reime von Keemo.

Dementsprechend groß waren die Erwartungen für das neue Album. Und mit „Fieber“ vollendet Keemo nun seine Trilogie. Wobei die Unterschiede zu den beiden Vorgänger-Alben beträchtlich sind, nicht nur, weil es sich beim neuen Werk um ein Mixtape handelt. Mit „Fieber“ wird vieles ausprobiert. Einen roten Faden, wie man ihn noch in „Mann beißt Hund“ finden konnte, gibt es hier leider nicht. Auch ein catchy Intro, wie es bei allen Projekten vorher von OG Keemo zu finden ist, gibt es diesmal nicht.

Zappen durchs Programm

Das Mixtape startet dagegen mit einem Sendebeitrag-Skit zu „Fieber“. Ein wiederkehrendes Motiv, das über das gesamte Mixtape mehrmals eingeschoben wird. Es wirkt, als würde man durch Fernsehprogramme zappen und immer wieder bei diesem einen Beitrag landen. Und so fühlt sich die Musik von „Fieber“ auch an: Wie eine Spotify-Playlist auf Shuffle.

OG Keemo: „Fieber“ (Chimperator/Groove Attack). Festivalauftritte im Juni und Juli 2024

Hin und wieder kommen ruhige Tracks mit Oldschool-Vibe, entspannten Streicher-Samples und simplen Beats wie bei „Fiesling“. Und danach folgen Tracks zum Pumpen, mit Bässen, die in den Ohren dröhnen und kampfeslustigen Battlerapreimen, wie beim Song „Okay!“

Zusätzlich gibt es auch Tracks, die sich mit ihren Melodien deutlich abheben, etwa „Bee Gees“ mit Sänger Levin Liam und dem Titelsong „Fieber“, den OG Keemo zusammen mit dem Frankfurter Kollegen Ramzey bestreitet. Aber es gibt leider auch Ausschuss, über den sich hinweghören lässt, ohne dass es wehtut. Und so entsteht ein Gefühl von Gleichgültigkeit.

Fülle an Gastauftritten

Auffallend ist zudem die Fülle an Gastauftritten auf „Fieber“. Heraus sticht Souly auf dem Track „Tasche“ mit einem smoothen Beatwechsel und Reimen über Migration und Reichtum: „Ich leb’ meinen Reichenhass und werde reich dabei / Jetzt, wo ich das habe, kann ich sagen / Ich bin die Scheiße leid“.

Dagegen fehlt es OG Keemos Mixtape an emotionalen und reflektierten Themen, mit denen er sich bisher immer auseinandergesetzt hat. „Fieber“ handelt in gewohnter Straßenrap-Manier wieder von dem Leben im Wohnblock, schnellem Geld und Style. Auch wenn OG Keemos Reimtechnik wieder mal auf den Punkt ist, er schafft es diesmal nicht, dass man auf die Textinhalte achtet.

Plump misogyn

Viele Aussagen wirken austauschbar, im Vordergrund steht eher der Vibe. In einem Gespräch über „Fieber“ mit einer Freundin wurde ich zudem auf plumpe und Gewalt an Frauen verherrlichende Zeilen hingewiesen. Schade! Dass Schrott-Reime wie „Wir nehmen uns dein Geld / Und dann nehmen wir sein Geld / Und dann nehmen wir das Geld / Und werfen deine Bitch ab damit / Bis sie eine Beule hat!“ auf dem Mixtape zu finden sind, ist ­bitter.

Künstler und Beatschmied wieder im Flow

Die hohen Erwartungen von „Geist“ und „Mann beißt Hund“ kann „Fieber“ also nicht erfüllen. Das liegt auch daran, dass es die Musik gar nicht wirklich will. OG Keemo scheint sich vom Leistungsdruck hemmen zu lassen und das erzählt er den Hö­re­r:in­nen beim Finale „3 Ringe – Outro“ glaubwürdig: „Es nicht allen recht zu machen / Ist ein Preis, den ich doppelt zahl’ /,Vorwort'-Fans haben kein Bock auf ignoranten Shit / Moshpit-Fans woll’n,Geist' zurück / Trolls hören,Mann beißt Hund'…“.

„Fieber“ ist alles und gleichzeitig nichts. Wir erleben einen konfusen Stilmix, dem es an einer geraden Linie fehlt. Die Beats von Funkvater Frank klingen zwar clean und mit Verve produziert, jedoch gibt es kaum Hooklines, die im Gedächtnis bleiben. „Das ist wie ein Reboot, ich muss wieder lernen, wie man Musik liebt“, beim Finale bringt Keemo die selbstkritische Einsicht noch am besten rüber.

Ihn dabei zu begleiten, wie er mit Schreibblockaden hadert und das Gefühl hat, ausgebrannt zu sein, nimmt einen mit und spendet zugleich Hoffnung: Wenn „Fieber“ nämlich dazu dient, dass der Künstler und sein Beatschmied wieder in den Flow geraten, dann ist ihnen dies gelungen. Immerhin. Zu hören sind vielversprechende kreative Ansätze. Selbst, wenn diese noch nicht ausgereift sind, machen sie die Vorfreude bis zum nächsten gelungenen Album nur größer.

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