Neuregelung der Sterbehilfe im Bundestag: Sterbehilfe-Gesetze fallen durch

Im Bundestag verfehlen zwei Gesetzesentwürfe zur Sterbehilfe eine Mehrheit. Dafür stimmt das Parlament für mehr Suizid-Vorbeugung.

Plenarsaal des Bundestags von oben

Der Bundestag debattiert über die Neuregelung der Sterbehilfe Foto: Michael Kappeler/dpa

Bundestag fordert mehr Angebote zur Suizid-Vorbeugung

Der Bundestag fordert einen stärkeren Ausbau von Angeboten zur Suizid-Vorbeugung in Deutschland. Für viele Menschen mit Suizidgedanken und Angehörige sei es nicht leicht, sich Hilfe zu suchen, heißt es in einem am Donnerstag angenommenen Antrag. Daher solle unter anderem ein bundesweiter Präventionsdienst etabliert werden, der Menschen mit Suizidgedanken und Angehörigen rund um die Uhr online und mit einer einheitlichen Telefonnummer Kontakt zu geschulten Ansprechpartnern ermöglicht.

Der Antrag wurde mit großer Mehrheit angenommen, nachdem Entwürfe zweier Abgeordnetengruppen für einen gesetzlichen Rahmen für die Sterbehilfe zuvor im Parlament gescheitert waren. Für den gemeinsam von den beiden Gruppen getragenen Antrag votierten 688 Abgeordnete, es gab eine Nein-Stimme und vier Enthaltungen. Die namentliche Abstimmung dazu wurde wiederholt, nachdem es Beschwerden wegen nicht mehr geöffneter Urnen zur Stimmabgabe gegeben hatte. (dpa)

Keine Mehrheit für strafrechtliche Sterbehilfe-Regelung

Der Vorschlag für eine erneute strafrechtliche Regulierung der Hilfe bei der Selbsttötung ist im Bundestag gescheitert. Ein Entwurf der Gruppe um den SPD-Politiker Lars Castellucci und den CDU-Abgeordneten Ansgar Heveling erhielt am Donnerstag keine Mehrheit im Parlament. 304 Abgeordnete stimmten für den Entwurf, 369 dagegen. 23 Abgeordnete enthielten sich. Auch der zweite Gesetzentwurf zur Regelung dieser Form der Sterbehilfe fand keine Mehrheit.

Dieser zweite Vorschlag aus einer Gruppe um Katrin Helling-Plahr (FDP) und Renate Künast (Grüne) sah im Kern vor, dass Sterbewilligen nach einer Beratung tödlich wirkende Medikamente verschrieben werden dürfen. Das Verfahren sollte aber nicht im Strafgesetzbuch festgeschrieben werden.

Mit der verfehlten Mehrheit bleibt es dabei, dass die Hilfe bei der Selbsttötung in Deutschland grundsätzlich erlaubt ist, teilweise aber rechtliche Unsicherheiten birgt. Beide Gruppen wollten beispielsweise im Betäubungsmittelgesetz ausdrücklich festschreiben, dass die Abgabe todbringender Medikamente auch zum Zweck der Selbsttötung zulässig ist. Die Hürden für die Verschreibung der Mittel legten sie aber unterschiedlich hoch an.

Nun droht laut dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, eine gesetzliche Leerstelle. „Dass eine gesetzliche Neuregelung des assistierten Suizids ausgeblieben ist und nun eine gesetzliche Leerstelle droht, ist sicher kein gutes Ergebnis“, sagte Schuster am Donnerstag. Schuster erklärte, er lehne einen assistierten Suizid bei Ausschöpfung palliativer Maßnahmen nicht kategorisch ab, doch der Gedanke daran falle ihm schwer. „Es braucht hohe Hürden und ein Werbeverbot“, forderte er. Ein gewerbsmäßiger assistierter Suizid habe verheerende Folgen für die Gesellschaft. „Ich befürchte, viele sind sich der psychischen Auswirkungen auf alte und kranke Menschen nicht bewusst“, sagte er. (epd)

Debatte im Bundestag

Vor der abschließenden Abstimmung über eine mögliche neue Sterbehilfe-Regelung diskutiert der Bundestag kontrovers über den Umgang mit der Hilfe bei der Selbsttötung. Die FDP-Abgeordnete Katrin Helling-Plahr verteidigte vor dem Parlament ihren Vorschlag, die Suizidassistenz nach einer Beratung zu ermöglichen. „Wir dürfen nicht schon wieder mit dem Strafrecht drohen“, sagte sie. Benötigt werde eine rechtssichere Lösung, die Menschen nicht alleine lasse, betonte sie.

Die namentliche Abstimmung sollte am späten Vormittag erfolgen, der Fraktionszwang ist dafür aufgehoben.

Der SPD-Abgeordnete Lars Castellucci warb dagegen um Zustimmung für seinen Entwurf, der ein strafrechtliches Verbot der sogenannten geschäftsmäßigen Hilfe bei der Selbsttötung vorsieht, das gleichzeitig unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen zulässt. Wer sich an dieses Schutzkonzept nicht halte, mache sich strafbar, sagte er. Ein Schutzkonzept, das keine Konsequenzen habe, sei kein Schutzkonzept, sagte er mit Blick auf den Entwurf von Helling-Plahr.

Die beiden Vorschläge, über die der Bundestag am Donnerstag abstimmt, werden jeweils von Abgeordneten mehrerer Fraktionen unterstützt werden. Der Vorschlag der Gruppe um Castellucci und Ansgar Heveling (CDU) will eine psychiatrische oder psychotherapeutische Begutachtung zur Voraussetzung für eine straffreie Abgabe tödlich wirkender Mittel machen. Der Entwurf einer anderen Gruppe um Helling-Plahr (FDP) und Renate Künast (Grüne) sieht als Bedingung im Wesentlichen eine Beratung vor. Dazu soll ein bundesweites Beratungsnetz entstehen. Dem Parlament liegt zusätzlich ein Entschließungsantrag zur Abstimmung vor, mit dem die Bundesregierung dazu aufgefordert werden soll, die Suizidprävention zu stärken.

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2020 entschieden, dass das Recht auf selbstbestimmtes Sterben auch das Recht umfasst, sich das Leben und dabei Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Es kippte damit ein pauschales Verbot organisierter Suizidassistenz. Seitdem wird über eine neue Regelung debattiert, die diese Form der Sterbehilfe rechtssicher ermöglicht, gleichzeitig aber vor Missbrauch schützt. (epd)

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