Niederländische Christdemokraten: Der Parteitradition verpflichtet

Gespaltende Konservative: 68 Prozent der niederländischen Partei CDA stimmen für eine Regierung unter Duldung der islamfeindlichen Wilders-Partei. Der große Rest ist dagegen.

Auf dem Weg zur Macht: CDA-Chef Maxime Verhagen. Bild: dpa

ARNHEIM taz | Morgens bietet sich am Veranstaltungsort der Abstimmung ein bizarres Bild. Während viele der 4.700 Mitglieder der christdemokratischen Partei CDA vor der Tür der Kongresshalle warten, spielt ein Orchester auf dem Parkplatz gegen die massiven Kürzungspläne der Regierung in spe auf mit Klängen von Beethoven. "Kunst ist ein essenzieller Teil unserer Gesellschaft", sagt Lawrence Renes, Dirigent der jungen Musiker, die aus dem ganzen Land hierher geströmt sind.

Für Rechtspopulist Geert Wilders sind Investitionen in Kultur "linke Hobbys". Laut dem neuen Regierungsprogramm wird der Etat für diese Musiker um 40 Prozent gekürzt. Von einer Videoanlage tönt lautstark Wilders Stimme. Eine Parlamentsszene steht auf Replay. Wilders sagt: "Die CDA steht für ,Christen dienen Allah'."

Um Werte und Normen geht es dann immer wieder in der stundenlangen, kontroversen Debatte im Saal. "Die Zusammenarbeit mit der PVV (Partei der Freiheit) macht uns unglaubwürdig", ist ein Parteimitglied sich sicher. Wilders säe Verrohung, sagt ein anderes CDA-Mitglied in eines der Saalmikrofone, hinter denen sich lange Reihen bilden. Wer sprechen will, hat genau 60 Sekunden. "Ausländer geringschätzen, Menschen beleidigen, Hass säen." Mit so jemandem müsse man nicht in See stechen. Etwa die Hälfte derer, die sich zu Wort melden, äußern sich kritisch über die angestrebte Zusammenarbeit mit Wilders.

Fraktionsführer Maxime Verhagen und Interimsvorsitzender Henk Bleker kommen aufs Podium. Verhagen appelliert an den Zusammenhalt der CDA, man müsse Schulter an Schulter nach draußen gehen. Der Applaus schwillt an. "Ich will die 1,5 Millionen Wähler der PVV nicht ausschließen", sagt er. "Ich will die PVV nicht ausschließen." Man werde die Rechte aller Menschen respektieren, auch die der Muslime. Man müsse aber Verantwortung übernehmen, sagt er, das sei Tradition der Partei.

"Verantwortlichkeit kann auch heißen, Nein zu sagen", hält der kommissarische Justizminister Ernst Hirsch Ballin gegen. "Es stehen Dinge in dem Duldungsvertrag, die keine Probleme angehen, sondern Menschen an eine Art von Umgang mit Mitbürgern gewöhnen, an die wir uns nicht gewöhnen sollten." Auch Kathleen Ferrier ist überzeugt, dass eine "Ein-Thema-Partei nicht gut ist für das Land". Sie ist Fraktionsmitglied. Sie hat bisher Nein gesagt zu dem Duldungsvertrag und ihre endgültige Entscheidung an das Votum des Parteitages geknüpft.

Im Saal summt es wie in einem Bienenstock. Ein Teil der Menschen will gerne regieren und ist so nah am Ziel. Mit dem rechtsliberalen Koalitionspartner VVD könnte es vorangehen, nach den Blockaden im Kabinett Balkenende. Die CDA, die bei der Wahl von 41 auf 21 Sitze gefallen ist, würde viel Einfluss haben mit der Hälfte der Minister in der Regierung. Die Abstimmung verläuft chaotisch, aber das Votum ist eindeutig, zwei Drittel stimmen zu. Während Verhagen sichtlich erleichtert und erfreut erklärt, "dies ist ein Fest, ein Fest für die Demokratie", stehen andere auf und verlassen den Saal.

Jolly Postma aus Friesland ist zufrieden mit dem Ergebnis. Sie findet, dass ihre Partei nun Stellung beziehen kann. "Wir hätten bereits früher Antworten auf die Probleme der Zeit formulieren müssen und haben das versäumt", sagt sie. Wilders gehe ihrer Meinung nach viel zu weit, er formuliere aber Probleme, die tatsächlich bestehen.

Die CDA-Fraktion will am Dienstag über den Duldungsvertrag entscheiden. Die Abstimmung wurde um einen Tag verschoben, weil Wilders am Montag in Amsterdam vor Gericht steht. Er muss sich wegen Beleidigung von Muslimen und Anstiftung zu Hass verantworten.

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