Obama in Berlin: John Pink Floyd Kennedy

Selbstverständlich sollte der US-Präsidentschaftskandidat Barack Obama am 24. Juli vorm Brandenburger Tor sprechen dürfen. Aber nützt ihm das?

Man weiß natürlich schon genau, wie das aussehen wird, wenn Superstar Obama in Berlin aufläuft Bild: dpa

Barack Obama will den großen Auftritt in Berlin, weil er ihn haben kann. Zehntausende würden ans Brandenburger Tor kommen, aus Neugier zwar, aber bereit, den Kandidaten als Hoffnungsträger zu feiern. Das war schon lange nicht mehr der Fall: Ronald Reagan hielt seine Mauerrede 1987 vor ausgewähltem Publikum bei strenger Zugangskontrolle. Bei seinem ersten Besuch 1982 begrüßte ihn CDU-Bürgermeister Richard von Weizsäcker - ebenfalls vor ausgewählten Gästen - zwar enthusiastisch in seinem furchtbaren deutschen Englisch ("wie arrr häppi"), doch in der Innenstadt lieferten sich tausende von Demonstranten eine Straßenschlacht mit der Polizei, die selbst für Westberliner Häuserkampfmaßstäbe Anfang der 80er ihresgleichen suchte. Und für Präsident George W. Bush waren selbst halböffentliche Auftritte vor ausgesuchtem Jubelpublikum nicht möglich - wen hätte man da auch aussuchen sollen?

Nun also Barack Obama. Er ist ja gar nicht Präsident, sondern Senator und Wahlkämpfer, und er will natürlich keinen Reagan-Auftritt, sondern irgendwas zwischen John F. Kennedy 1963 vor dem Rathaus Schöneberg und Pink Floyd 1990 am Potsdamer Platz. Ein Event soll es sein, eine Wiederversicherung US-amerikanisch-deutscher Freundschaft und Zuneigung, der bebilderte Beweis, dass er, Barack Obama, in der Lage ist, alte Allianzen mit neuer Popularität zu erfüllen. Die Bilder würde er bekommen - denn mal ehrlich: Eigentlich wollen die Deutschen doch nur allzu gern die US-Amerikaner wieder als Freunde haben. Je wichtiger Länder wie China oder Russland (wieder) werden, umso deutlicher merken wir doch, wie gern wir die mit den USA geteilten Werte hochhalten möchten - wenn die Amis nur nicht so blöd wären. Niemand verkörpert diese Hoffnung so sehr wie der Kandidat Barack Obama. Man darf vermuten, dass auch ein Präsident Barack Obama das nicht mehr schaffen wird.

So sollen die Deutschen ihn doch reden lassen, auch vor dem Brandenburger Tor, wenn er will. Einmischung in den US-Wahlkampf? Ach Gott. Sicher, Merkel und Steinmeier dürfen da nicht mit aufs Podium, so viel Neutralität muss sein. Höchstens Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit dürfte und würde ganz sicher dabei sein. Obamas feste Basis würde so ein Auftritt bestärken - die vielen jungen WahlkampfaktivistInnen fühlen sich gern als "Bewegung", was putscht da mehr als das Gefühl, nicht nur sich selbst oder den Vereinigten Staaten, sondern der ganzen Welt einen Dienst zu erweisen nach den Jahren der Dunkelheit?

Aber kann sich Obama wirklich so ganz sicher sein, dass ihm der Auftritt im Wahlkampf nutzt? "Alle Deutschen (außer Angela Merkel) für Obama", das ist - das ist nicht wirklich eine attraktive Schlagzeile für den US-amerikanischen Mainstream. Wer Allianzen neu schmieden will, sollte nicht gleich am Anfang Verstimmung provozieren. Und wer die Berichterstattung des Murdoch-Senders Fox News und die US-amerikanischen konservativen Radio-Talkmaster kennt, möchte Obama keine allzu innigen Begrüßungen durch Berlins schwulen Regierenden Bürgermeister wünschen, der einer Koalitionsregierung mit Exkommunisten vorsteht.

Klar, wer solche Programme sieht oder hört, wählt Obama vermutlich ohnehin nicht - lässt sich aber von solchen Berichten womöglich dazu bringen, am Wahltag nicht zu Hause zu bleiben, sondern den Republikaner John McCain zu wählen, um den mit Barack Hussein Obama bevorstehenden Untergang des Abendlandes zu verhindern.

Obama merkt jetzt schon, dass er überdreht hat. Seine Berater signalisieren bereits, dass es vielleicht doch nicht das Brandenburger Tor sein muss, und so spricht vieles dafür, dass der Senator aus Illinois am Ende, völlig unabhängig davon, ob die Deutschen ihm das erlauben oder nicht, nicht an Berlins Wahrzeichen auftreten wird, sondern irgendwo zwischen American Academy, Freier Universität und Friedrich-Ebert-Stiftung seine transatlantische Grundsatzrede hält. Ganz Old School. Dann kann er einen völlig unverfänglichen Bildtermin am Brandenburger Tor haben wie so viele vor ihm und sich den Kennedy für später aufheben, falls ihn die Berliner dann noch wollen.

Bis dahin aber sollten die Deutschen sich einfach mal ruhig verhalten. Schon jetzt hat Geschwätzigkeit Schaden angerichtet: Wenn Bundeskanzlerin und Außenminister nicht so geredet hätten, als ob in Deutschland die Bundesregierung über Veranstaltungsgenehmigungen zu entscheiden hätte, müssten sie auch keine Belastung der Beziehungen fürchten, sollte im November doch John McCain gewinnen.

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