Oberlandesgericht Bremen stoppt Schikane: Amtliche Kindeswohlgefährdung

Schwarze Kinder bekommen in Bremen jetzt Geburtsurkunden. Das Standesamt hatte sie ihnen grundlos verweigert. Damit ist nun Schluss.

Eine Demonstration im Jahr 2020: Schwarze Frauen mit Kinderwagen und Säuglingen im Arm protestieren vor dem Bremer Standesamt

Demo 2020: Schon seit über drei Jahren bekommen Schwarze in Bremen oft keine Geburtsurkunde Foto: Marie Gogoll / taz

Richtig bösartig: Anders lässt sich das beharrliche Fehlverhalten der Bremer Standesämter nicht bezeichnen. Dem hat nun – endlich! – das Oberlandesgericht einen Riegel vorgeschoben: Jahrelang hatte das Standesamt nämlich systematisch verhindert, dass in Bremen geborene Schwarze Kinder eine Geburtsurkunde erhalten.

Aber eine Geburtsurkunde ist eben nicht nur ein Blatt Papier mit Stempel drauf: An ihr hängen unter anderem Kindergeldzahlung und Krankenversicherung, dabei müssen Säuglinge doch alle paar Wochen zum Arzt! Später wird es ohne Geburtsurkunde schwer, einen Krippen-Platz zu kriegen. Die Standesämter haben den betroffenen Kindern den Start ins Leben so gut sie nur konnten verhagelt.

Und in der Hoffnung, an dieser widerlichen Praxis festhalten zu dürfen, haben die Ämter noch dazu versucht, das wohlbegründete Verbot, welches das Amtsgericht im September ausgesprochen hatte, juristisch anzufechten. Undenkbar, dass ein solcher Gang in die höhere Instanz ohne Wissen und Billigung der Spitze des Ressorts unternommen worden wäre. Der Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), der gerade im Wahlkampf ganz leutselig die besorgten Bür­ge­r*in­nen zum Kaffeeklatsch lädt, ist nicht nur politisch, sondern auch persönlich verantwortlich für diese Kindeswohlgefährdung von Amts wegen.

Gründe für die? Hätte es irgendwelche ernsthaften politischen Motive dafür gegeben, diese Babys schon mal ein bisschen anzudiskriminieren? Hätten sie Bremens Sicherheit gefährdet? Ah, immerhin, es sei „um Zweifel an Urkunden und nicht an Personen bestimmter Hautfarben“ gegangen, versichert die Innenbehörde. Da sind wir aber mal beruhigt.

Es waren keine Einzelfälle

Nur weist ja schon die dreistellige Fallzahl darauf hin, dass es sich hier um ein systematisches Vorgehen gehandelt hat. Hinzu kommt: Laut bundesgerichtlicher Rechtsprechung darf das Amt am Identitätsnachweis durch einen gültigen, echten National-Pass nur dann zweifeln, wenn ihm – und zwar in jedem dieser über 100 Fälle – valide Indizien vorliegen, aus denen sich der Verdacht speist.

Die Unfähigkeit von Amt und Senator, den Gerichten solche Gegendokumente vorzulegen, macht klar: Hier waren pauschale Vorurteile handlungsleitend. Einziger Anknüpfungspunkt: die Herkunftsländer. Viel reiner bekommt man strukturellen Rassismus selten geboten in Deutschland.

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Jahrgang 1972. Seit 2002 bei taz.nord in Bremen als Fachkraft für Agrar, Oper und Abseitiges tätig. Alexander-Rhomberg-Preis 2002.

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