Öffentliche Toiletten in Berlin: Mehr Pinkelgerechtigkeit in Parks

In einem Pilotprojekt werden in jedem Bezirk zwei öffentliche Toiletten ausprobiert, die auf mehr Ökologie, Kostenfreiheit und Gendergerechtigkeit setzen.

Die neue kostenlose Toilettenanlage am Invalidenpark.

Sieht aus wie eine Packstation von DHL, ist aber eine Toilettenanlage Foto: Paul Zinken/dpa

BERLIN taz | Eine große grüne Schleife ziert an einem Freitagmorgen Anfang Juni ein kleines gelbes dreitüriges Holzhäuschen im Invalidenpark in Mitte. Über den Türen sind die Wörter Toilette, Steh- Urinal und Hock-Urinal zu lesen. Neben kleinen Häppchen und Sektflöten, die vor dem Toi­lettenhäuschen drapiert sind, steht Britta Behrendt, Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Klimaschutz und Umwelt, mit einer Schere in ihrer Hand. Das hat seinen Grund: Die Firma Eco-Toiletten GmbH hat zur Eröffnung einer neuen ökologischen, gendergerechten und barrierefreien Parktoilette nicht weit vom Hauptbahnhof geladen.

Behrendt, erst seit Ende April neue Staatssekretärin in der nun nicht mehr grün-, sondern CDU-geführten Senatsverwaltung, sieht das Thema öffentliche Toiletten als eine ihrer Kernaufgaben an. „Ich habe zwei Töchter im Teenageralter, die fast jedes Wochenende in Berlin unterwegs sind, und die berichten mir oft von einer Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, was die Anzahl und Präsenz von öffentlichen Toiletten in den Berliner Parks betrifft“, sagt sie bei der Eröffnung.

Die neue Toilette ist Teil eines 1,7 Millionen Euro teuren Pilotprojekts, das seit April läuft. Das soll herausfinden, „wie die oft stark genutzten Berliner Grünflächen mit ökologischen und klimafreundlichen Toiletten versorgt werden können“. Wo die zu finden sind, soll auch bald in der neu entwickelten „Berliner Toiletten App“ stehen. Die zeigt, ob für die Benutzung bezahlt werden muss – wobei bei den neuen Parktoiletten zunächst generell keine Gebühr fällig sein soll.

Die Toiletten werden über eine Solaranlage mit Strom versorgt und erhalten ihr Wasser durch einen Regenwassertank

In allen zwölf Bezirken sollen jeweils zwei „umwelt- und klimafreundliche“ Park-Toiletten aufgestellt und getestet werden. Sie kommen von zwei Firmen, die sich in einer Ausschreibung durchgesetzt haben. Beide Systeme werden nach Senatsangaben über eine 400-Watt-Solaranlage mit Strom versorgt und erhalten ihr Wasser durch einen 300 Liter großen Regenwassertank. Das soll Energie und Wasser sparen – eine Spülung verbraucht zwischen sechs bis neun Liter Wasser. Die Ausscheidungen sollen anschließend in Eberswalde bei der Firma Finizio entwässert und später als Dünger weiter eingesetzt werden.

Mangelnde Barrierefreiheit

Denn im Gegensatz zu den herkömmlichen öffentlichen Toiletten der Firma Wall GmbH, die an die Kanalisation angeschlossen sind, besitzen die „Öko-Toiletten“ ein Kompostsystem. Das funktioniert so, dass die flüssigen Anteile ab einem gewissen Pegelstand automatisch in einen 1.000-Liter-Tank und die festen Anteile in einen „Depotraum“ kommen.

Neu ist auch, dass die 24 „umwelt- und klimafreundlichen“ Park-Toiletten neben einem Sitzklo auch ein Steh- sowie ein Hock-Urinal haben, deren Zielgruppe jeweils Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, trans und agender Personen sind. Während die Finizio GmbH ihr eigens entwickeltes Uni-Sex-Steh-Urinal einsetzt, arbeitet die EcoToiletten GmbH mit dem Anbieter Missoir zusammen.

Dieses Hock-Urinal wurde schon auf mehreren Festivals erprobt und hat seit Dezember vergangenen Jahres – nachdem es im Januar 2022 nach nur wenigen Monaten mit Verweis auf zu hohe Kosten aus dem Volkspark Hasenheide entfernt worden war – neben den zwölf temporären neuen Standorten seinen festen Platz am Kottbusser Tor gefunden.

Die dortige neue Toilette gilt durch ihre kostenfreie Nutzung und ihre geschlechtergerechte Konzipierung als Gewinn für den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Barrierefrei ist die Toilette allerdings nicht. „Dies war vom Bezirk extra so gefordert worden“, sagt Lena Olvedi von Missoir der taz. Kritiker vermuten, dass die Toiletten nicht barrierefrei sind, um „Fehlnutzungen“ wie Drogenkonsum oder Übernachtungen vorzubeugen. Das Bezirksamt hat bis Redaktionsschluss eine taz-Anfrage dazu nicht beantwortet.

Bisheriges Toiletten-Konzept diskriminierend

Insgesamt gibt es in Berlin laut Senatsverwaltung 418 öffentliche Toiletten. Die meisten davon sind City-Toiletten der Firma Wall, die seit Ende 2021 Ziel einer Einbruchsserie waren. Die Täter hatten es nicht auf das damals rare Toilettenpapier abgesehen – es ging um die Münzfächer. Nach Firmenangaben wurden binnen eines Jahres mindestens 2.300 Mal Münzfächer geknackt, wobei ein Schaden im sechsstelligen Bereich entstanden sein soll.

Um weiteren Einbrüchen vorzubeugen, entschied sich die Wall GmbH zusammen mit dem Senat für eine zweigeteilte Lösung. So stehen 100 der 278 City-Toiletten seit Anfang des Jahres kostenfrei zur Verfügung, die restlichen 178 Toiletten sind nur noch mit Kartenzahlung benutzbar.

Daran hagelt es Kritik: Das Berliner Buschfunk Bündnis, das sich für eine gerechte Verteilung und Konzipierung von Toiletten einsetzt, sieht in der Umstellung auf Kartenzahlung eine Diskriminierung von Senior*innen, Wohnungslosen und einkommensschwachen Haushalten. Der Verein fordert eine entgeltfreie Nutzung aller öffentlichen Toiletten in Berlin, so wie es in Paris bereits seit 2006 der Fall ist.

Neben der kostenfreien Nutzung fordert das Buschfunk Bündnis eine geschlechtergerechte und umweltfreundliche Konzipierung – was mit dem Toiletten-Pilotprojekt, das bis zum 31. März nächsten Jahres läuft, erprobt werden soll. Wie viele umwelt- und klimafreundliche Toiletten künftig dauerhaft die Straßen und Parks schmücken, ist allerdings noch ungewiss.

Was kommt nach der Testphase?

Die Senatsverwaltung betont, dass die Testphase kein Wettbewerb zwischen den beiden beteiligten Firmen und Toilettenmodellen sei. Vielmehr wolle man herausfinden, „welche Toilettensysteme in den Berliner Grünanlagen funktionieren, um auf Basis der Ergebnisse ein – möglicherweise ganz neues – Toilettensystem nach diesen Parametern zu finden“, heißt es von der Verwaltung.

Offen ist, ob es nach der Testphase unter einer schwarz-roten Landesregierung überhaupt zu einem Ausbau von ökologischen, geschlechtergerechten und kostenfreien Toiletten kommt. Politische Unterstützung kam bislang lediglich von der Linke-Abgeordneten Katalin Gennburg sowie von der Ex-Umweltsenatorin und jetzigen Grünen-Fraktionschefin Bettina Jarasch. Aus Sicht von Kritikern liegt es in der Hand der neuen Regierung aus SPD und CDU, ihren Bürgerinnen und Bürgern zu zeigen, dass ihnen ihre Bedürfnisse nicht völlig „scheiß-egal“ sind.

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