Ostern für Konfessionslose: Die ganze Geschichte

Für unsere Kolumnistin ist Ostern ein besonderes Fest und wichtiges Ritual. Sie feiert es, auch wenn sie nicht an Gott glaubt.

Ein Holzhase im Gras von Eiern und Hyazinthen umgeben

Für manche ist Ostern ein Freudenfest. Das ist okay Foto: Bihlmayerfotografie/imago

Mein Mann sagt, er hat mit Religion nichts am Hut, Ostern interessiert ihn nicht. Ich habe mit Religion auch nichts am Hut, aber für mich ist Ostern von größerer Bedeutung. Eier, Hasen, Hefezopf, das ganze Programm. Die Kinder werden eingeladen, die Schwiegerkinder, es gibt Osterbrunch, Krokanteier. Ich höre mir die Matthäuspassion an, auf einer Schallplatte, die ich für einen Euro fünfzig bei Stilbruch gekauft habe, und weine, wenn Annelies Bur­meister, die schon sechsunddreißig Jahre tot ist, als Petrus singt: „Erbarme dich mein Gott, um meiner Zähren willen. Schaue hier, Herz und Auge weint vor dir bitterlich.“

Ich weine ebenso bitterlich, ich kann Petrus so gut verstehen. Ich wäre wahrscheinlich ebenso schwach wie er. Wir alle sind doch sehr schwach, wer ist denn schon ein Held auf dieser Welt?

Deshalb geht mir die ganze Geschichte auch so zu Herzen, weil sie alles Menschliche enthält, Freundschaft, Liebe, Hingabe, Verrat und Vergebung. Die Frauen, finde ich, kommen in diesem Werk am besten weg, auch wenn sie kaum vorkommen. Hätte Pilatus auf seine Frau gehört, wäre der ganze Mist nicht passiert.

Mein Mann kann mein Ostern nicht verstehen, ich kann es selbst nicht verstehen, aber muss man alles verstehen?

Wenn Ostern vor der Tür steht, dann freue ich mich. Ich habe eine wachsende Sammlung eher seltsamer Osterhasen, einige davon habe ich auf der Straße gefunden, in Zu-verschenken-Kisten. Ostern reihe ich sie alle auf dem Fensterbrett auf, zusammen mit Hühnern aus Metall oder Eiern auf Beinen. Ich hole sie vom Dachboden, ich stelle sie auf dem Fensterbrett auf und dann freue ich mich. Warum? Ich weiß es nicht. Es ist einfach so.

Jedes Jahr dieselben Rituale

Wenn ich am Abend vor Ostersonntag den Hefeteig für den Zopf in den Kühlschrank stelle, freue ich mich. Ich freue mich, wenn die Eier gefärbt sind, ich freue mich, wenn ich meine Platte auflege, ich freue mich, wenn die Kinder kommen, wenn wir nach dem Frühstück in den Botanischen Garten fahren, um den Osterspaziergang zu machen, ich freue mich einfach. Ich glaube nicht an Gott, aber ich feiere Ostern, ich feiere Weihnachten, und sogar Pfingsten, ich wiederhole jedes Jahr dieselben Rituale und füge sogar, nach und nach, noch ein paar neue hinzu.

Was sagt das nun alles über mich aus? Bin ich traditionell? Bediene ich mich bei einer Religion, an die ich nicht glaube? Und wäre das schlimm?

Früher, in meinem Dorf, war Ostern noch mehr dunkle, nasse Erde auf den Feldern, mehr Wetter und Kälte und manchmal auch hoher Schnee. Ostern war die seltenen Süßigkeiten, die unsere Eltern auf dem Hof zwischen der Hühner- und Hundekacke versteckten und die es sonst in unserem Alltag gar nicht gab. Aber ich glaube nicht, dass es die seltenen Süßigkeiten waren, es war mehr so ein Gefühl, das Gefühl eines besonderen Tages, eine unbegreifliche Freude.

Unsere Eltern arbeiteten immer, sie hatten neben ihren Berufen einen Hof mit Tieren und dazu den Garten und das Haus, aber an Ostern arbeiteten sie eben nicht. Verwandte kamen, und da herrschte so eine Stimmung – Feiertag! Man spürte das einfach, man spürte das schon, wenn man morgens aufwachte und eine Strumpfhose anzog, denn Feiertage waren Rock-und-Strumpfhosen-Tage. Die Fenster waren geputzt. Der Hund bekam was vom Tisch. All diese kleinen Dinge.

Aber wenn man diese Stimmung einfach nicht kennt oder nicht herstellen kann, dann ist dieser ganze Kram lästig und überflüssig. Ich verstehe das. Aber ich freue mich.

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