PASSFRAGEN: "Abschiebung ist alternativlos"

Bremens Innensenator hat bisher keine Beschwerde eingelegt gegen den Richterspruch, der ihm einen Verstoß gegen Grundrechte bei Abschiebungen vorwirft

Ulrich Mäurer fühlt sich von Justitia manchmal untegebuttert Bild: dpa

Muss der Bremer Senat die Urteile des Verwaltungsgerichtes hinnehmen, die ihm rechtswidriges Vorgehen beim Versuch der Abschiebung vorwerfen? Der Leiter des Stadtamtes, Hans-Jörg Wilkens, wartete gestern auf eine Erklärung der Bundespolizei zu den Fragen, die das Bremer Gericht aufgeworfen hatte - vergebens. "Ich würde gern Beschwerde einlegen gegen den Richterspruch", erklärt Wilkens. Aber dafür müsste die Bundespolizei die Fragen nach der Legitimation der "Kommission" beantworten, die die Ausreisepapiere ausstellte.

"Undurchsichtig und zweifelhaft" fand das Gericht die gesamte Praxis der Ersatzpapierbeschaffung für Sierra Leone. Und erinnerte den Innensenator an Recht und Gesetz: "Handelt eine Behörde ohne Rechtsgrundlage und widerspricht damit dem im Rechtsstaatsprinzip enthaltenen Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, verletzt sie das Grundrecht des Betroffenen aus Art.2.1 Grundgesetz…"

Das ist ein harter Satz. Der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) ist manchmal der Verzweiflung nahe: Seit acht, neun Jahren sind einzelne der Asylbewerber aus Westafrika in Bremen, und seit dieser Zeit bemüht sich die Ausländerbehörde, sie abzuschieben. "Mit uns wird Katz und Maus gespielt", sagt Mäurer. Und nun dieses Urteil.

Bei fünf oder sechs der Männer geht die Bremer Ausländerbehörde davon aus, dass sie aus Sierra Leone kommen. Einer hat das auch 2002 offiziell angegeben. Einer der Betroffenen ist als Drogenhändler der Polizei ins Netz gegangen, gegen die anderen liegt offenbar nichts vor. Gemeinsam ist allen nur, dass sie ohne Ausweispapiere hier leben - aus welchen Gründen auch immer. Und die Versuche, festzustellen, aus welchem Land die Betroffenen kommen, führte bisher regelmäßig ins Leere. Ohne ordentlichen Pass darf aber eine deutsche Ausländerbehörde keine Abschiebung vornehmen.

Westafrikanische Botschaften weigern sich häufig, die Überprüfung der Staatsangehörigkeit vorzunehmen und Passersatzpapiere auszustellen. Daher wurde das Aufenthaltsgesetz 2007 so geändert, dass nicht nur "Passersatzpapiere von zuständigen Behörden" akzeptiert werden, sondern auch die von "ermächtigten Bediensteten des Staates". Damit wurde die Tür zu einer Grauzone aufgestoßen. Es gebe Herkunftsländer, die für Ausstellung der Pässe "nicht akzeptable Gegenleistungen fordern", räumt ein Papier des Innenressorts ein.

"Die Verfahren der Passersatzbeschaffung sind alternativlos", beharrt der Innensenator trotz der Zweifel des Gerichtes: "Wenn wir hier die Bundespolizei um Amtshilfe bitten, dann gehen wir davon aus, dass die an Recht und Gesetz gebunden sind", sagt Mäurer.

Recht und Gesetz sind aber auffallend schwammig formuliert in diesem Bereich. Im Jahre 2005 war NFaly Keita der Leiter einer Delegation aus Guinea, die in Hamburg Asylbewerber identifizierte - er war in Guinea selbst als Schleuser bekannt.

Bei der "Sammelvorführung" war kein Vertreter der Botschaft von Sierra Leone dabei. "Eine vierköpfige Delegation der Einwanderungsbehörde (Immigration) aus Freetown" habe die Prüfung der Staatsangehörigkeit vorgenommen, teilte die Bundespolizei der taz mit.

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