Parteienrechtler über "Die Partei"-Ausschluss: "Nicht sorgfältig gearbeitet"

Der Wahlausschuss hat "Die Partei" des Ex-Titanic-Chefs zu Unrecht von der Bundestagswahl ausgeschlossen, sagt Parteienrechtler Morlok. Er hofft, dass die OSZE das deutsche Wahlrecht rüffelt.

Titanic-Satiriker Sonneborn beschwert sich darüber, dass seine "Partei" nicht zur Bundestagswahl zugelassen wurde. Zur Recht, meint Morlock. Bild: dpa

taz: Lohnt sich der Streit um Kleinparteien, die bei der Wahl eh nicht mehr als ein Prozent der Stimmen erhalten hätten?

Martin Morlok: Die Wahl des Parlaments ist so zentral in der Demokratie, da sollte alles mit rechten Dingen zugehen. Außerdem kann niemand vorher wissen, wie eine Wahl ausgeht.

Warum muss im Vorfeld der Wahl geprüft werden, ob kandidierende Gruppierungen eine Partei sind?

Es ist im Interesse der Bürger, wenn nur Gruppen von einer gewissen Bedeutung und mit gemeinsamer Grundüberzeugung zur Wahl zugelassen werden. Sonst würde der Wahlzettel ja unendlich lang.

Genügt es nicht, wenn jede Gruppierung vor der Wahl bis zu 2.000 Unterschriften pro Bundesland sammeln muss?

Das geht in die gleiche Richtung. Ich halte das als Hürde für eine Kandidatur auch für ausreichend.

Im Bundeswahlauschuss, der die Parteieigenschaft der Kleingruppen prüft, sitzen Vertreter der etablierten Parteien. Sind die nicht befangen?

Auch das spricht für eine Abschaffung dieser Prüfung. Es ist fragwürdig, wenn die bisher erfolgreichen Parteien bestimmen dürfen, wer ihnen Konkurrenz machen darf.

Wird da gemauschelt?

Nein, das Verfahren war diesmal so transparent wie nie. Auf der Webseite des Bundestags kann man sich die Sitzungen des Bundeswahlausschusses heute noch anschauen. Aber gerade weil viele dieses Video gesehen haben, gibt es so laute Proteste.

"Die Partei" wurde abgelehnt, weil sie angeblich nur einen Landesverband habe. Tatsächlich hat sie mehr Untergliederungen …

Hier hat der Bundeswahlausschuss nach Informationen vom Hörensagen entschieden. Ein angebliches Fax der "Partei", auf das sich der Bundeswahlleiter berief, war in zwei Sitzungen nicht präsent. Hier wurde nicht sorgfältig gearbeitet.

Ist da keine Korrektur möglich?

Auch wenn dies gesetzlich nicht vorgesehen ist, hat der Ausschuss natürlich das Recht zur Selbstkorrektur. Der Staat hat die Pflicht, keine Fehler zu machen - und wenn er Fehler macht, muss er sie wieder ausbügeln. Das hat der Bundeswahlausschuss leider nicht erkannt.

Die abgelehnten Kleinparteien können vor der Wahl kein Gericht anrufen …

Das ist ein eindeutiger Verstoß gegen das Grundgesetz. In Artikel 19 Absatz 4 heißt es: "Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, steht ihm der Rechtsweg offen."

Nach der Wahl ist aber eine Wahlbeschwerde möglich. Genügt das nicht?

Nein. Nach der Wahl wird nicht der Fehler an sich abgestellt, sondern nur noch geprüft, ob das Parlament richtig zusammengesetzt ist. Das heißt, der Kläger muss beweisen, dass der Fehler so schwerwiegend war, dass er zu einer anderen Sitzverteilung geführt hätte.

Kann nicht das Verfassungsgericht vor der Wahl helfen?

Das ist hier leider aussichtslos. Karlsruhe hat Ende Juli auf Klage der Grauen erneut entschieden, dass es vor der Wahl keinen Rechtsschutz gibt.

Warum?

Es soll nicht bis kurz vor der Wahl über das Verfahren und die Kandidaturen prozessiert werden. Ein richtiger Gedanke, aber deshalb muss man Rechtsschutz nicht völlig ausschließen.

Was schlagen Sie vor?

Gegen Entscheidungen des Bundeswahlausschusses sollte man binnen einer Woche das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig anrufen können, das in erster und letzter Instanz entscheidet.

Erstmals wird eine deutsche Wahl von der Staatengemeinschaft OSZE beobachtet. Hoffen Sie, dass Deutschland Ärger bekommt?

Die Rechtslage ist verbesserungsbedürftig. Wenn die OSZE das auch so sieht, würde hilfreicher politischer Druck entstehen.

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