Pegidist*innen nach der Bundestagswahl: Ins Parlament spaziert

Zum 127. Mal kommen „Wir sind das Pack“-Demonstrant*innen in Dresden zusammen. Sie feiern den Einzug der AfD in den Bundestag.

Ein Schild mit "Holen wir unser Land zurück. Viel Erfolg und Kraft dazu" und einem Bild der AfD-Spitzenkandidat*innen ragt aus einer Menschenmasse

Siegeszug: Die Pegidist*innen fühlen sich nach der Wahl bestätigt Foto: dpa

DRESDEN taz | „Wahlsieg“ steht auf dem Schild. Es ragt aus der Menge heraus, die sich am Montagabend vor der Dresdner Frauenkirche versammelt. 126 Mal ist Pegida hier zusammengekommen, um den drohenden Volkstod und die Islam-Invasion zu beschwören, mit Galgen für die Politiker und „Wir sind das Pack“-Schildern. Die Lust an der gemeinsam aufgekochten Wut, die gegenseitige Versicherung, verraten und betrogen worden zu sein, das war es, was die Leute hertrieb.

Heute, beim 127. Mal, am Tag nach der Bundestagswahl, ist es anders. „Wir dürfen feiern“, sagt Organisator Wolfgang Taufkirch, „weil wir entscheidenden Anteil daran haben, dass die AfD drittstärkste Kraft und in Sachsen stärkste Kraft ist.“

Es dämmert, vielleicht 1.500 Menschen sind da, zwei Dutzend Polizisten stehen am Rand. Junge Typen laufen herum, verteilen gelbe Flugblätter der Identitäten Bewegung. Männer haben Schilder mit Fotos mitgebracht, die Merkel hinter Gittern zeigen. „Einst wird wieder Gerechtigkeit walten, dann richtet das Volk und dann gnade Euch Gott“, steht auf einem anderen.

Die Vorstellung der Machtergreifung, einer Revolte von rechts, hatte sich von Beginn an durch die Pegida-Kundgebungen gezogen. Ob die AfD dafür das geeignete Vehikel sein könnte, darüber herrschte Uneinigkeit: Vielen Pegidisten war die Partei zu lasch. Umgekehrt wollten führende AfDler, vor allem Frauke Petry, den Anschein von Nähe zu den radikalen Islamfeinden vermeiden. Tatsächlich aber war diese Nähe immer da. Und jetzt reklamiert Pegida den AfD-Wahlsieg als eigenen Erfolg.

„Eine absolute Spitzenleistung von Team AfD und dem Team Patrioten, hier auf dem Platz“ sagt Lutz Bachmann. Doch das sei erst der Anfang: „Wir haben 18 Monate Zeit. Dann sind in Sachsen Landtagswahlen. Und wir wollen den Ministerpräsidenten hier stellen.“

Der Arm bedankt sich

Sachsen als Avantgarde der Nationalisten – so wertet Pegida das Wahlergebnis. Die Medien würden das dadurch erklären, dass „die Leute im Osten abgehängt sind“, sagt der Pegida-Anmelder Taufkirch auf der Bühne. „Aber wir sind nicht abgehängt. Wir sind dem Rest der Republik einen Schritt voraus.“ Nun, sagt er, habe die „Stimme des Volkes einen parlamentarischen Arm bekommen.“

Der Arm bedankt sich. „Der Erfolg hat uns überrollt. Ohne Pegida hätte es den nicht gegeben“, sagt Egbert Ermer von der AfD Sächsische Schweiz – der Region, in der mehr als jeder Dritte am Sonntag die AfD gewählt hat. Jene, die Distanz zu Pegida halten wollten, hätten in der AfD nichts zu suchen, sagt Ermer. Es ist auf Petry gemünzt. Deren Namen nimmt er nicht einmal in den Mund. „Die mit ‚P‘“ sagt er nur.

„Geh bitte“, empfiehlt er der am Morgen aus der neuen Bundestagsfraktion ausgetretenen Noch-Parteichefin. „Und nimm alle mit, die sich auch für ‚gemäßigt‘ halten. Die brauchen wir nicht. Ein bisschen Widerstand geht nicht.“ Wen die Partei tatsächlich brauche: „Ich bin sicher: Wir kriegen eine hervorragende Zusammenarbeit mit Höcke, Gauland, Maier und Poggenburg hin“, ruft Egbert.

Es sind die Protagonisten des ultrarechten Flügels der AfD, die Gegner Petrys. Sie sind der Bezugspunkt für Pegida. Renate Sandvoß, Ex-Journalistin und Pegida-Aktivistin aus Nordrhein-Westfalen, nimmt sie in Schutz. Die Medien hätten Gauland und Höcke im Wahlkampf „bewusst missverstehen“ wollen, „jeden Satz danach abgeklopft, irgendwas Völkisches“ zu finden. Dafür gab es nur einen einzigen Grund: „Eine echte Opposition zu verhindern.“

Keine Entschuldigung für Neo-Faschismus

Auch die Angriffe auf Merkel rechtfertigt Sandvoß: „Ein harmloses ‚Hau ab‘ oder ein treffendes ‚Volksverräterin‘ – das ist doch nichts im Vergleich zu dem, was wir ertragen müssen.“ Sie seien Zeugen des Niedergangs Deutschlands durch Merkels Flüchtlinge, so Sandvoß.

Einen halben Kilometer weiter südlich hatten sich die Gegendemonstranten gesammelt. Jetzt biegen sie um die Ecke, auf den Platz vor der Frauenkirche. „Nie, nie, nie wieder Deutschland“, rufen sie, manche haben „87 Prozent“-Schilder. Eine Hundertschaft der Polizei bildet ein loses Spalier, lässt die Pegida-Gegner aber unmittelbar an die Kundgebung heran.

Dort, wo sie sich hinstellen, sitzen zwei Frauen auf einer Bank, sie gehören zu den Pegidisten. Erst beschimpfen sie die Gegendemonstranten, dann fangen sie so etwas wie eine Diskussion an. Die eine Frau hat ihre Haare gefärbt, das Grau kommt aber wieder durch. Sie fasst sich an den Hinterkopf. „Hier,“ sagt sie zu einem der Demonstranten, „guck dir das an. Ich kann nicht mal zum Frisör gehen. Und da sagt ihr, uns geht es hier gut?“ Sie schüttelt den Kopf und schaut zu ihrer Nachbarin.

„Völlig bescheuert“ seien die Demonstranten, meint diese. Dann stehen die beiden auf und gehen. „Es gibt keine Entschuldigung, Neo-Faschisten zu wählen“, tönt es aus dem Lautsprecherwagen, als habe man die Frauen dort gehört.

Dann ziehen die Pegidisten los, zu ihrem „Spaziergang“ durch die Innenstadt. Es ist ein gespenstischer Wechsel zwischen der totalen Stille eines Schweigemarsches, unterbrochen durch einzelne „Widerstand“-Rufe, die sich in der leeren Einkaufsstraße verlieren. Nach einer Weile wechseln sie den Slogan. Eine Gruppe junger Männer, Typ Hooligan, ruft: „Hier regiert die AfD.“

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