Platznot für Geflüchtete in Berlin: Weniger als 200 Betten noch frei

Das Land Berlin stößt bei der Unterbringung von Geflüchteten an seine Grenzen. Die Notunterkunft in Tegel soll verlängert werden.

In den ehemaligen Terminals A, B und C sind ein Ankunftszentrum und Notunterkünfte untergebracht Foto: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

BERLIN taz | Bei den Unterkünften für Geflüchtete in Berlin gibt es kaum noch freie Kapazitäten, auch die Notunterkünfte seien weitgehend ausgelastet, sagte Integrationssenatorin Katja Kipping (Linke) am Montag. Man wolle deshalb die Terminals A und B des ehemaligen Flughafens Tegel, die derzeit als Ankunftszentrum und als Notunterkunft für bis zu 1.900 Menschen dienen, über den Winter weiter am Netz lassen. „Wir werden uns in diesem Winter nicht leisten können, auf die Terminals A und B zu verzichten“, sagte Kipping. Auf einen entsprechenden Beschluss im rot-grün-roten Senat wirke man derzeit intensiv hin. Ohne diese beiden Gebäude bliebe nur noch die Notunterkunft in Terminal C, dort gibt es aber lediglich 800 Plätze.

Eigentlich hat der Senat mit dem ehemaligen Flughafengelände längst andere Pläne: Geplant sind neben einem Industriepark auch ein neuer Campus-Standort der Berliner Hochschule für Technik und ein Wohnquartier. Insbesondere für die Hochschule, die die Terminals nutzen soll, würde es eine Verzögerung bedeuten, wenn der geplante Umzug des Ankunftszentrums in den C-Terminal nicht stattfinden kann. „Das ist eine politische Entscheidung, die ich dem Senat vorschlagen werde“, betonte Kipping.

Aktuell sind laut Zahlen der Sozialverwaltung weniger als 200 Plätze in Unterkünften für Neuankommende verfügbar. 1.838 Menschen haben im September einen Erstantrag auf Asyl in Berlin gestellt – das sind knapp 650 mehr als im Vergleichsmonat September 2021. Insgesamt kamen zwischen Januar und September 12.237 Menschen, rund 4.500 mehr als im Vorjahreszeitraum. Hinzu kamen zuletzt im September noch 1.568 ukrainische Kriegsflüchtlinge.

Kipping betonte, dass deren Zahl momentan „kontinuierlich ansteigt“, und man zudem auch auf der Balkan-Route eine wachsende Dynamik sehe. Insbesondere aus Syrien, Georgien, Moldau und zunehmend Aserbaidschan verzeichne man mehr Anträge auf Asyl.

Messehallen sind Option

Zwar stünden derzeit 27.700 Unterkunftsplätze zur Verfügung, so viele wie nie zuvor, sagte Kipping. Allerdings seien eben nur 200 frei. Man sei „selbst noch nicht zufrieden mit dem Tempo, mit dem neue Plätze akquiriert werden können“. Sie habe „deshalb entschieden, den Krisenstab der Innenverwaltung“ mit einzubinden. Zudem setze man darauf, dass die bundeseigene Immobilienanstalt Bima „großflächigere Objekte in Bundeshand, die kurzfristig nutzbar wären, auch für vorübergehende Notunterkünfte“ freigebe.

Turnhallen als Notunterkünfte sollen ein „No-go“ sein, da sei man sich mit der Regierenden Franziska Giffey (SPD) einig, sagte Integrationssenatorin Katja Kipping (Linke)

Welche Liegenschaften das Land konkret im Auge habe, könne sie aber aus verhandlungstaktischen Gründen noch nicht sagen. Die Bima ist dem Finanzministerium angegliedert. Auch eine Nutzung der Messehallen im ICC sei eine Option, reiche aber nicht aus. Klar sei jedenfalls, so Kipping: Turnhallen als Notunterkünfte sollen ein „No-go“ sein, da sei man sich mit der Regierenden Franziska Giffey (SPD) einig. 2015, als viele Flüchtlinge infolge des Syrienkriegs nach Berlin kamen, wurden die katastrophalen Zustände in den behelfsmäßig hergerichteten Turnhallen von Flüchtlingsinitiativen scharf kritisiert.

Derzeit bleiben die Geflüchteten laut Kipping im Schnitt ein bis drei Nächte in den Notunterkünften in den Ankunftszentren in Tegel – wo sich die Ukraine-Geflüchteten registrieren – und in Reinickendorf, wo alle anderen Asylbewerber ankommen. Eigentlich ist das Ziel, die Menschen noch am selben Tag nach der Registrierung gleich weiterzuleiten – entweder in „ordentliche“ Unterkünfte oder in andere Bundesländer. Das sei aber kaum mehr möglich: die anderen Bundesländer seien ebenfalls am Limit, genauso wie die „erschöpfte Zivilbevölkerung“. Und die inzwischen nach Corona wieder „gut ausgebuchte Tourismusbranche“ erschwere das Anmieten von Hostels.

Mitarbeiter des Landesamts für Flüchtlinge hatten in einem Schreiben an die Integrationsverwaltung Alarm geschlagen, man komme mit der Registrierung im Ankunftszentrum in Reinickendorf nicht mehr hinterher. Dem mochte Kipping nicht widersprechen, unversorgt ohne Notbett bliebe aber bisher niemand, betonte sie.

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