Pleiten in Deutschland: 23,8 Prozent mehr Insolvenzen

Die Zahl der Unternehmenspleiten in Deutschland ist im Juli deutlich gestiegen. Dass viele Firmen in die Knie gehen, ist aber ein Zeichen der Normalisierung.

Ein Schild auf dem "Wir schliessen" steht, in einem Schaufenster.

Normalisierung nach den Corona-Hilfen, Schild in einem Schaufenster in Stuttgart Foto: Bernd Weißbrod/dpa

BERLIN taz/rtr | Wegen der Konjunkturflaute und höherer Kreditkosten steuern immer mehr Unternehmen in die Pleite. Die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen in Deutschland stieg im Juli um 23,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, teilte das Statistische Bundesamt am Freitag mit. Im Juni hatte es bereits ein Plus von 13,9 Prozent gegeben.

Im ersten Halbjahr in Deutschland hätten damit deutlich mehr größere Betriebe dichtgemacht als im Vorjahreszeitraum. Die Gesamtzahl der Gewerbeaufgaben war laut den Statistikern mit rund 246.500 um 14 Prozent höher als von Januar bis Juni 2022. „Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen nimmt bereits seit August 2022 kontinuierlich zu“, erklärte das Amt. Die Forderungen der Gläubiger bezifferten die Amtsgerichte auf knapp 4 Milliarden Euro.

Bezogen auf 10.000 Unternehmen gab es insgesamt im Mai 4,4 Insolvenzen. Die meisten Pleiten mit 8,7 Fällen entfielen auf den Bereich Verkehr und Lagerei. Dann folgte der Bereich der sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen, zu denen etwa Zeitarbeitsfirmen gehören, mit 7,4 Fällen. Die geringste Insolvenzhäufigkeit mit nur 0,3 Insolvenzen je 10.000 Unternehmen gab es in der Energieversorgung.

Wenn einzelne Politiker von CDU oder AfD oder Industrieverbände derzeit vor einer drohenden Deindustrialisierung reden, gehört das lediglich zum üblichen Getöse. Eine genauere Analyse der Zahlen belegt, dass deutsche Unternehmen momentan zwar unter den Ausläufern der Energiekrise, der Inflation, steigenden Zinsen und schwacher Ertragslage leiden – allerdings zeigt sich auch eine gewisse Normalisierung. Denn: Staatliche Hilfen sowie die teilweise ausgesetzten Insolvenzantragspflichten hatten in den vergangenen Jahren trotz Corona- und Energiekrise für mildes Wirtschaftsklima gesorgt.

Weniger Pleiten als vor der Pandemie

Daher hatten ExpertInnen bereits einen Anstieg der Pleiten für das laufende Jahr erwartet. Deutschlands Wirtschaft geht es derzeit tatsächlich nicht gut – und das liegt auch am weltwirtschaftlichen Umfeld. Sie war Ende 2022 und Anfang 2023 geschrumpft und hatte im Frühjahr nur stagniert. Viele Fachleute erwarten für das laufende Gesamtjahr einen Rückgang beim Bruttoinlandsprodukt.

Insgesamt liegt das Niveau bei der Zahl der Insolvenzen derzeit noch unter dem Stand der Zeit vor der Coronapandemie. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) kündigte bereits am Donnerstag an, nach der Analyse eigener Zahlen sogar bereits Licht am Ende des Tunnels zu sehen: „Die hohen Zahlen in den Monaten Juni und Juli markieren das vorläufige Ende des Anstiegs bei den Insolvenzen“, sagte IWH-Experte Steffen Müller, der die Insolvenzforschung des Instituts leitet.

„Für die Monate August und September erwarten wir keinen wesentlichen Anstieg der Insolvenzzahlen.“ Die Analyse des IWH zeig, dass in den größten 10 Prozent der Unternehmen, die im Juli Insolvenz anmeldeten, rund 9.300 Arbeitsplätze betroffen waren. Die Zahl der betroffenen Beschäftigten in diesem Segment liegt damit im Juli in etwa auf dem Durchschnittswert für den Monat Juli in den Jahren 2016 bis 2019.

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