Politikberaterin über die COP28: „Als würde man uns Brotkrümel geben“

Das Ergebnis der Weltklimakonferenz ist für die pazifischen Inselstaaten unzureichend, sagt die philippinische Klimaexpertin Tetet Lauron.

Ein Mann umarmt eine Frau, die einen Blumenkranz auf dem Kopf trägt

Delegierte der Marschallinseln umarmen sich auf der Abschlussitzung der Klimakonferenz in Dubai Foto: Sebastian Rau/photothek/imago

taz: Frau Lauron, auf dem Abschlussplenum der Weltklimakonferenz gab es Aufregung, als eine Vertreterin von Samoa beklagte, viele Inselstaaten seien nicht im Raum gewesen, als der wesentliche Beschluss fiel. Wie bewerten Sie das Abschlussprotokoll?

Tetet Lauron: Dass diese Staaten nicht im Raum waren, als die Entscheidung getroffen wurde, finde ich sehr ungerecht. Viele ihrer Ansichten wurden in dem Dokument nicht berücksichtigt. Es wurde stattdessen im sogenannten Konsens angenommen. Aber manchmal habe ich das Gefühl, dass selbst wenn man im Saal ist, die eigene Meinung nicht ganz gehört wird. Alle gratulieren nun der Präsidentschaft zu ihrer geschickten Diplomatie, aber zu welchem Preis? Sogar die Afrika-Gruppe sagt, dass sie Liebe fürs Klima im Raum gefühlt habe. Mir bricht es das Herz, weil es zeigt, dass die Entwicklungsländer aufgegeben haben: Sie segnen ein Dokument ab, das eindeutig nicht ihren Interessen dient.

Sie denken also, dass die positive Stimmung im Raum künstlich war?

Sehr richtig. In den letzten zwei Wochen gab es heftige Meinungsverschiedenheiten, etwa über die Verantwortung der Industrieländer und über die Finanzierung der Klimafolgen weltweit. Die Entwicklungsländer haben einen sehr tapferen Kampf geführt, damit das Ergebnisdokument die Realitäten vor Ort widerspiegelt und die Industrieländer ihren Verpflichtungen im Rahmen des Pariser Abkommens nachkommen. Der offensichtliche Enthusiasmus, mit dem der Konsens aufgenommen wurde, passt dazu nicht.

Tetet Lauron

ist Beraterin für Klimapolitik, nach­haltige Entwicklung und Entwicklungs­finanzierung bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Lauron lebt in Manila.

Glauben Sie, dass das Abkommen von Dubai die Erderwärmung auf unter 1,5 Grad begrenzen kann?

Nein. Wir werden in die Irre geführt. Im Dokument werden falsche Lösungen angeführt, die angeblich unser globales Ziel, unter 1,5 Grad zu bleiben, voranbringen. Die Einführung von so vielen unsicheren Technologien wie CCS, der CO2-Speicherung, macht mir wirklich Angst.

Die deutsche Verhandlungsführerin Annalena Baerbock sagte in ihrer Abschlussrede in Bezug auf die pazifischen Inselstaaten: „We feel you and we see you“, zu Deutsch etwa: Wir verstehen und hören euch. Glauben Sie ihr?

Das ist sehr herablassend, um ehrlich zu sein. Wenn Deutschland tatsächlich die Sorgen der Entwicklungsländer sieht, hört und spürt, dann würde es sich bei den Klimaverhandlungen anders verhalten. Natürlich freut sich jeder darüber, dass Deutschland eines der wenigen Länder ist, die tatsächlich etwas Geld für die Klimafinanzierung bereitstellen. Sie tun es jedoch nicht in der Größenordnung, die nötig ist, um das Leben der pazifischen Inseln und vieler anderer Entwicklungsländer zu verbessern. Es ist, als würde man uns Brotkrümel geben und dann erwarten, dass wir jubeln. Die Finanzierung ist aber nur eine Sache. Deutschland fördert immer noch Gas und Kohle und es gibt einen verrückten Ansturm auf Rohstoffe für die Energiewende im Westen. Deutschland und die Indus­trieländer richten damit weltweit eine Menge Schaden an.

War diese COP fair aus Ihrer ­Perspektive?

Alle reden davon, wie der Multilateralismus wiederbelebt und durch die Ergebnisse gestärkt wird. Aber ernsthaft, können wir diesem Prozess noch vertrauen? Industrieländer und ihre Unternehmen kommen trotzdem auf die Philippinen, um unsere natürlichen Ressourcen auszubeuten. In meinem Land führt das zu viel Vertreibung.

Mit welchem Gefühl gehen Sie ­zurück?

Für die Philippinen ist es eine Be­stä­tigung, dass der Kampf weitergeht. Unsere Regierung hat versucht, die ­Finanzierung für Klima­anpassung und für Verluste und Schäden ­aufzustocken. Wie sie mit dem ­indigenen Widerstand gegen die Aus­beutung im eigenen Land umgeht, müssen wir mit ihr ausfechten. Aber hier, im internationalen Raum, stehen wir ihr gegen die reichen Länder zur Seite.

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