Politikwissenschaftler Michael Greven zum Wahlergebnis: "Die Situation genutzt"

Der Politikwissenschaftler Michael Th. Greven über den Triumph der SPD, den Absturz der CDU, die Stagnation der GAL und die bundespolitischen Signale.

Michael Th. Greven und Olaf Scholz (SPD) beim taz salon vor sechs Wochen. Bild: Miguel Ferraz

taz: Herr Greven, was sind die Gründe für das triumphale Wahlergebnis der SPD?

Michael Th. Greven: Der Hauptgrund ist sicher die desaströse Situation, in die die CDU im Laufe des vergangenen Jahres geraten ist und von der sie sich nicht erholen konnte. Es ist dadurch zu einem Verfall des Glaubens in die Autorität der Hamburger Regierung gekommen.

Hat die SPD mit Olaf Scholz auch einen Eigenanteil an ihrem Erfolg vorzuweisen?

Die entstandene Situation hat Olaf Scholz clever und professionell genutzt. Er hat vor allem der verunsicherten bürgerlichen Mitte eine ordentliche, sachorientierte Regierungsführung versprochen und suggeriert, dass er in der Lage ist, die Autorität der Regierung wieder herzustellen. Das hat unter den gegebenen Umständen gereicht, eine absolute Mehrheit zu organisieren.

Spricht aus dem Wahlergebnis eher die Sehnsucht der Hamburger nach geordneten Verhältnissen oder nach einem starken Mann, der alles richtet?

Das lässt sich schlecht voneinander trennen, aber der Akzent liegt auf dem ersten Faktor. Olaf Scholz hat als erfahrener Politiker die Kompetenz ausgestrahlt, für eine gute, seriöse Regierungsführung zu sorgen.

MICHAEL TH. GREVEN 63, studierte Politikwissenschaft, Philosophie, Germanistik und Psychologie an der Universität Bonn und ist seit 1995 Professor am Institut für Politische Wissenschaft der Universität Hamburg. Seine Schwerpunkte sind Politische Theorie und Ideengeschichte. Im VS-Verlag gibt Michael Th. Greven die Reihe "Studien zur politischen Gesellschaft" und im Lit-Verlag die Reihe "Politische Theorie" heraus.

War Christoph Ahlhaus der falsche CDU-Kandidat oder war der Markenkern der CDU zu wenig erkennbar?

Jeder CDU-Kandidat hätte es ab Mitte vergangenen Jahres schwer gehabt, aber Christoph Ahlhaus war in dieser Situation auch keine gute Wahl. Als Innensenator war er der konservative Flügelmann, der Garant für Sicherheit und Ordnung innerhalb der liberalen schwarz-grünen Koalition. Als Bürgermeister-Kandidat musste er sich dann mit offenem Hemdkragen und ohne Krawatte bei der GAL anbiedern, was seiner Glaubwürdigkeit nicht gedient hat. Die inhaltliche Rückwendung nach dem Aus der Koalition hat sicher nicht dazu beigetragen, die verlorene Glaubwürdigkeit wieder herzustellen - im Gegenteil. Man hat Ahlhaus so durch das Jahr schlingern sehen.

Welche Chance zur Neuausrichtung hat die Hamburger CDU?

Es wird jetzt sicher Personaldebatten und auch personelle Umbauten innerhalb der CDU geben. Inhaltlich muss sie weiterhin versuchen, großstadtorientiert-liberal zu sein, wird dabei sicher die Umweltakzente zurückfahren und hat in der Schulpolitik ja bereits die Rückwende vollzogen. Sie kann in Hamburg aber nicht wie die CSU im ländlichen Raum oder auch nur wie die niedersächsische CDU auftreten. Das ist ihr Dilemma.

Die Hamburger Grünen haben nicht an den Bundestrend anknüpfen können. War der Koalitionsbruch ein Fehler?

Die GAL kann froh sein, dass sie mit einem kleinen Zugewinn aus der Wahl gekommen ist. Das Wahlergebnis zeigt aber auch, dass der Austritt aus der Koalition kein Fehler war. Der Senat war mit der HSH-Nordbank und der Debatte um die Schulreform bereits ins Schlittern geraten und dieser Trend hat sich nach dem Abtritt von Beusts rapide beschleunigt. Das alles wurde vom Wähler zwar der CDU aufs Konto geschrieben, doch das Ausscheren aus einer Koalition ist immer unpopulär und setzt eine Partei dem Verdacht der Fahnenflucht aus. Deshalb ist das Wahlergebnis der GAL weder überraschend noch schlecht.

Ist Schwarz-Grün jetzt weg von der politischen Agenda?

Selbst Herr Ahlhaus hat am Wahlabend betont, die schwarz-grüne Option sei mittelfristig nicht vom Tisch, aber schwieriger geworden. Auf der Bundesebene war Schwarz-Grün bislang ohnehin keine realistische Alternative. Und in den Bundesländern wird sich die CDU von den Hamburger Erfahrungen nicht beeindrucken lassen und mit den Grünen koalieren, wenn das ihre einzige Machtoption ist.

Welche Signale sendet das Hamburger Wahlergebnis am Anfang des Superwahljahrs 2010 in den Bund aus?

Das Wahlergebnis ist der besonderen Situation in Hamburg geschuldet, mithin eine Hamburgensie. Natürlich nutzen die Sieger, also SPD und FDP, die Chance, den Beginn einer großen Siegesserie ihrer Partei zu verkünden, während die Verlierer betonen, dass diese Wahl ein rein lokalpolitisches Ereignis ist. Ich halte konkrete Auswirkungen auf die kommenden Landtagswahlen aber für wenig wahrscheinlich.

Also ist damit auch der bundesweite Abwärtstrend der FPD nicht gestoppt?

Auch wenn Guido Westerwelle genau das bereits strahlend erklärt hat, gilt, dass das Ergebnis den Hamburger Bedingungen geschuldet und nicht auf andere Bundesländer übertragbar ist. Natürlich hat auch die FDP von der Halbierung der CDU-Wählerschaft profitiert.

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