Postrock der Band The Fucking Champs: Heavy Metal ohne Achselschweiß

Die Wiederauflage des Debütalbum „III“ der Fucking Champs von 1997 geht ins Ohr, auch heute. Sie legten das Skelett der Musik bloß.

Drei junge Männer machen Faxen vor eine Graffitiwand

Ohne Pose geht es nicht: The Fucking Champs Foto: Pam Nashel

In den Neunzigern waren sie auf einmal gefühlt überall: Bands, die irgendwie noch Rock spielten, aber mit ein, zwei Abstraktionsgraden dazwischengeschaltet. Durch Elektronik, Jazz, Reduktion und Repetition wurde das Versprechen auf Unmittelbarkeit und Authentizität als obsolet markiert. Stattdessen fabrizierten Bands wie Trans Am, Slint, June of 44 und noch einige Dutzend ihren Sound so, als würden sie Musik über die Musik spielen, die sie gerade spielen, mit Metaebene, Kontrolliertheit und manchmal auch Ironie und Tongue-in-cheek-Gedöns.

Einerseits war das befreiend, weil Rock schon in den 1990ern arg festgefahren war. Andererseits aber auch anstrengend, weil sehr verkopft – im besten Fall auf eine gute Weise allerdings.

Um das alles genreförmig zu bündeln, einigte man sich auf den Begriff Postrock. Was damals noch kein Synonym für aufgebrezelt-sinfonische Instrumentalmusik war, sondern einfach Rock ohne Rockismus meinte.

Weitgehend unter dem Radar geblieben ist – zumindest hierzulande – die Band The Fucking Champs aus San Francisco. Deren 1997 erschienenes Debüt-Doppelalbum „III“ ist jetzt zum 35-jährigen Jubiläum vom US-Label Drag City wiederveröffentlicht worden.

Iron Maiden mit Mathematik fusioniert

Bis dahin hatte die Band ein paar Tapes veröffentlicht und auf ihren Konzerten verkauft. Das erste Album sollte dann gleich ein Doppelalbum werden. Diesen Hang zur großen Geste kann man dann auch durchgängig hören in den Songs des Albums: zwei Gitarren und ein Schlagzeug spielen druckvollen Heavy Metal. Nur halt sozusagen skelettiert, und das heißt, hier bis auf wenige Ausnahmen instrumental und durch Taktverschiebungen und hin und wieder gegenläufige Gitarren in Schräglage versetzt. Die Idee war, so klingt es zumindest, die Musik von Iron Maiden mit Mathematik zu fusionieren.

The Fucking Champs: „III“ (Drag City/Rough Trade)

Die genretypisch verschrobenen und unentschlüsselbaren Songtitel („Andres Segovia Interests Me“, „Now Is the Winter of Our Discoteque“, „You’ve Got a Thirst, Portland“) tun ihr Übriges. The Fucking Champs spielten eine clevere und trotzdem sehr bezaubernde Post-Musik: ohne Klischees und Achselschweiß, Heavy Metal, der nie langweilig ist, sondern das Herz von Hörerin und Hörer mit Freude zu erfüllen vermag.

Trotz Abstraktions- und Metaästhetik, und an diesem Punkt sticht „III“ aus der rückblickend manchmal auch nervtötend ausgedacht wirkenden ersten Postrockwelle heraus, ballern diese Stücke nämlich ganz ungemein. „Valkyrie is Dying“ zum Beispiel ist ein fröhlich sägender Progrock-Monolith, aber so gespielt, als würden hier drei hochbegabte, besoffene Teenager aus der Garage ihres Elternhauses heraus operieren. Oder „Dale Bozzio“, eines der wenigen Stücke auf „III“ mit Gesang und mit wenigstens vier Tempiwechseln und anderen Vertracktheiten, das trotzdem direkt ins Ohr und da dann auch nicht mehr rausgeht.

Einer der zwei damaligen Gitarristen der Fucking Champs war Tim Green, der zuvor mit der Band Nation of Ulysseus von Washington aus den Hardcore revolutionierte, der andere, Josh Smith, spielte kurz nach dem Erscheinen von „III“ in der kurzlebigen, aber legendären Black-Metal-Band Weakling (zehn Jahre später stieg dann noch der Trans-Am-Gitarrist Phil Manley in die Band ein).

Das sind schon mal zwei Pole, die The Fucking Champs vom übrigen abstrakten Treiben artverwandter Bands absetzen. Weakling und Nation of Ulysseus machten eine ausgesprochen körperliche Musik.

Und The Fucking Champs wollten hörbar eine Heavy-Metal-Band sein, vielleicht auch in dem Wissen, dass man als Brillenträger in Nordkalifornien kein britisches Heavy-Metal-Bühnen-Urviech mehr wird werden können. Aus dieser Spannung – Brille versus Urviech – bezieht diese Musik ihre Energie und ihren Humor. Von beidem hat sie mehr als genug.

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