Potsdam-Attacke : Mangel an Beweisen

Ein Jahr nach dem Angriff auf Ermyas M. sind die Angeklagten freigesprochen worden. Das Opfer sagte, er sei mit dem Urteil einverstanden.

Nachdenklich: Überfallopfer Ermyas M. Bild: ap

Der Prozess um den Potsdamer Überfall auf Ermyas M. ist zu Ende. Die beiden Angeklagten Björn L. und Thomas M. wurden freigesprochen. Hier gelte der Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten", betonte Richter Michael Thies. Berufung wird es keine geben, denn auch die Staatsanwaltschaft und der Anwalt des Opfers hatten auf Freispruch plädiert.

Ermyas M., ein dunkelhäutiger Deutscher, war in der Osternacht 2006 an einer Bushaltestelle niedergeschlagen worden. Monatelang lag er mit schweren Schädelverletzungen im Koma. Vieles sah nach einem rassistischen Mordversuch aus. "Scheißnigger" hatten ihn die Täter kurz zuvor genannt. Das war auf dem Anrufbeantworter der Frau von Ermyas M. zu hören, die er kurz vor dem Vorfall anzurufen versuchte. Der Fall sorgte weithin für Entsetzen, gerade so kurz vor der Fußball-WM, bei der sich Deutschland als gastfreundliches Land zeigen wollte. Generalbundesanwalt Kay Nehm übernahm die Ermittlungen. Es bestehe der Verdacht, das die Täter ein fremdenfeindliches Fanal setzen wollten.

Doch nach einigen Wochen gab Nehm den Fall an die örtliche Staatsanwaltschaft in Potsdam ab. Nach Auswertung aller Indizien sei von einem "zweiaktigen Geschehensablauf" auszugehen. Danach näherten sich zwei Männer dem an der Haltestelle wartendem Ermyas M. in provokativer Absicht. Der angetrunkene Ingenieur beschimpfte einen der Angreifer als "Schweinesau". Der andere antwortete mit "Scheißnigger". Kurz darauf erhielt Ermyas M. einen ersten Schlag auf den Mund. Hier brach die Telefonaufzeichnung ab. Die beiden Männer gingen nun weiter, doch der erregte Ermyas M. folgte ihnen rund fünfzig Meter und versuchte, einen von ihnen in den Hintern zu treten. Nun erst kam es zu dem folgenschweren Schlag in Ermyas M. Gesicht, an dessen Folgen er heute noch leidet. Die Anklage lautete am Ende nur noch auf Körperverletzung, unterlassene Hilfeleistung und Beleidigung.

Angeklagt wurden Björn L., der zugeschlagen haben soll, und Thomas M. Beide bestritten jedoch jede Beteiligung an dem Vorfall. Der Tatverdacht gegen Thomas M. war relativ dünn. Er soll bei einem Gespräch gesagt haben, dass der "Neger" doch selbst schuld sei - zu einem Zeitpunkt als der wahrscheinliche Tathergang noch nicht bekannt war. Der Angeklagte bestritt die Äußerung.

Gegen Björn L. sprach seine hohe fiepsige Stimme, die der Täterstimme auf dem Anrufbeantworter ähnelte. Zwei Stimmgutachten ergaben jedoch keine ausreichend hohe Wahrscheinlichkeit für eine Übereinstimmung, zu schlecht war die Aufnahmequalität der Mailbox. Außerdem sagten zahlreiche Zeugen aus, dass Björn L. zur Tatzeit aufgrund einer Kehlkopfentzündung sehr heiser war.

Bei Björn L. waren zwar CDs mit rechtsradikaler Musik gefunden worden. Er wollte deshalb aber nicht als Extremist eingestuft werden, er höre auch Bob Marley, sagte er im Prozess. Thomas M. sah zwar einem stadtbekannten Rechtsradikalen ähnlich, gehörte aber nicht zu dieser Szene.

Ermyas M. hat sich zwar erholt, aber aufgrund seiner Verletzung keine Erinnerung an die Tat. Der Prozess ergab auch keine Hinweise auf mögliche andere Täter. Nach zwanzig Verhandlungstagen blieb dem Landgericht nur ein Freispruch aus Mangel an Beweisen. Ermyas M. sagte, er sei mit dem Urteil einverstanden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.