Prämiertes Doppelleben: Journalisten sollen Abos verticken

Freie Mitarbeiter der "Badischen Zeitung" sollen künftig auch Abos verkaufen – ein Kulturbruch mit Billigung der Chefredaktion.

Sollen nicht nur schreiben, sondern auch die Zeitung an den Mann bringen: Freie Mitarbeiter der "Badischen Zeitung". Bild: kallejipp/photocase

In Freiburg führt die Medienkrise zu einem arg befremdlichen Akt der Kreativität: Journalisten, die als freie Mitarbeiter einen großen Teil der Lokalseiten der Badischen Zeitung füllen, sollen das Blatt künftig auch verticken. Das geht jedenfalls aus einem Werbebrief hervor, der vor gut einer Woche an die Betroffenen verschickt wurde. Was vor allem verwundert, ist, dass nicht nur der Vertriebsleiter Thomas Zehnle seine Unterschrift unter das Schreiben gesetzt hat, sondern auch Chefredakteur Thomas Hauser.

In dem Brief richten sich Vertriebs- und Redaktionsleiter an "Sie als unser freier Mitarbeiter", der "über gute und zahlreiche Kontakte in der Region" verfüge. Ihnen, den nicht fest angestellten, aber für die Existenz des Blattes nicht minder wichtigen Reportern, legen Zehnle und Hauser nahe: "Nutzen Sie dieses Wissen! Gewinnen Sie neue Abonnenten für die Badische Zeitung und sichern Sie sich damit einen schönen Zusatzverdienst." Für Abos winken Prämien von 40 bis 80 Euro. Viel Geld für freie Reporter, die von mageren Zeilenhonoraren leben müssen.

Verlag und Chefredaktion wollen also aus journalistischen Kontakten Profit ziehen. Sie setzen damit die unabhängige Berichterstattung aufs Spiel. So mahnt Felix Zimmermann, der für die Freischreiber spricht, den Berufsverband für freie Journalisten: "Wem schmackhaft gemacht wird, mit einer Prämie für neue Abos seinen Verdienst aufzubessern, läuft Gefahr, unkritisch zu berichten - will er seinen Gesprächspartnern eine Zeitung verkaufen." Die Freischreiber haben den Brief auf ihrer Internetseite publik gemacht. Sie schaffen damit Transparenz.

Wer bei Chefredakteur Hauser anruft, erntet pures Unverständnis. "Ich habe kein Problem damit gehabt, den Brief zu unterschreiben", sagte er der taz. Und überhaupt: "Da wird ein Popanz aus etwas gemacht, das es gar nicht gibt." Schließlich werde niemand dazu gezwungen, ein Abo zu verkaufen.

Werden die Fragen detaillierter, verweist er hingegen auf Vertriebschef Zehnle. Der habe die Aktion initiiert und im Gespräch mit Hauser erwähnt, dass die Praxis in vielen anderen Verlagen üblich sei. Zehnle ließ Fragen der taz dazu unbeantwortet, etwa die Bitte, die Namen dieser Verlage zu nennen.

Kurios ist, dass den Deutschen Journalisten-Verband (DJV) in dieser Sache keine Sorgen plagen. Sprecherin Eva Werner sagte der taz, es werde kein Druck auf die Mitarbeiter ausgeübt. Niemand müsse Sanktionen befürchten, wenn er sich weigere, Abos zu vermitteln. Werner sagte gar, ihr Verband halte es "für unproblematisch, wenn auch freie Mitarbeiter um Werbeverstärkung gebeten werden". Das Schreiben sei "harmlos".

Weder Chefredakteur Hauser noch der größte deutsche Journalistenverband sehen die möglichen Risiken und Nebenwirkungen dieser Aktion. Keiner scheint etwa an Studenten zu denken, für die eine freie Mitarbeit bei ihrer Zeitung vor Ort oft der Einstieg in den Beruf ist, für den es keine normierte Ausbildung gibt. Sollen sie wirklich in einer Kultur aufwachsen, in der Journalisten auch als Zeitungsverkäufer durch die Welt laufen?

In der Praxis könnte das bei der Badischen Zeitung etwa so aussehen. Da schließt der Reporter sein Interview über Mängel in Kindergärten oder Schulen mit seiner neuen Standardphrase: "Danke für Ihre Zeit. Ach, hätten Sie denn nicht auch Lust, die Badische Zeitung frei Haus geliefert zu bekommen?"

Bleibt die Frage: Wie wahrscheinlich ist es wohl, dass bei einem Aboabschluss samt Prämie für den Journalisten am nächsten Tag über den Gesprächspartner etwas Kritisches in der Zeitung steht?

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