Präsidentin der UN-Vollversammlung: Baerbocks bizarre Ämterrochade
Die Grünen nehmen sich raus, was sie der Union ankreiden würden. Mit dem Abnicken vom Jobwunsch der Ex-Außenministerin machen sie sich unglaubwürdig.
H elga Schmid, eine der angesehensten Diplomatinnen Deutschlands, war seit Monaten gesetzt als Präsidentschaftskandidatin für die UN-Generalversammlung. Dann wurde sie kurzfristig abgesägt. Nicht, weil sie sich etwas hatte zuschulden kommen lassen oder jemand besser qualifiziert war. Allein die Ampel ging früher aus als erwartet und die scheidende Außenministerin entdeckte ihr eigenes Interesse an dem Posten.
Entgegen allen Abmachungen setzte sie ihren Jobwunsch in den letzten Regierungswochen durch. In der real existierenden Machtpolitik kommt man nicht weit, wenn man immer demütig anderen den Vortritt lässt, und Frauen müssen da nicht tugendhafter sein als Männer. Umgekehrt aber wird ein Fehler nicht dadurch legitim, dass er von einer Frau begangen wird.
So allerdings verteidigen einige Baerbock-Fans ihre bizarre Ämterrochade, mit der sie sich kurz vor Jobverlust noch prestigeträchtig absicherte. Dass die Grünen dieses Spiel mittrugen, gar nach dem Regierungswechsel ihre Machtposition im Verhandlungspoker um Grundgesetzänderung und Schuldenpaket wohl für diesen Deal einsetzten, ist das noch weitreichendere Ärgernis.
So eine Volte, völlig abgehoben in parteipolitischer Selbstgerechtigkeit, beschädigt die Glaubwürdigkeit repräsentativ-demokratischen Handelns allgemein. Es zeigt die „etablierten Parteien“ so, wie AfD und andere Rechtsaußenspieler sich das wünschen: Nicht allein Verdienst und Können zählen, sondern privilegienverblendetes Gemauschel. Nicht für das Gemeinwohl wird gehandelt, sondern für den eigenen Vorteil.

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Ob sich UN-Baerbock schon in die Liga von Masken-Spahn und Maut-Scheuer katapultiert hat, darüber kann man streiten. Gewiss aber ist, dass die Grünen bei solch einer Selbstbedienungsmentalität in Unionsreihen moralisch toben würden. Baerbock ist das vermutlich egal. Sie ist jetzt in New York und spielt Erfolg. Schade, ein weibliches Vorbild weniger. Gutes Gelingen muss man ihr trotzdem wünschen. Die UN brauchen es.
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