Pressefreiheit in China: Noch mehr Einschränkung der Presse

Journalistische Arbeit wird in China immer schwieriger, klagen die dortigen Auslandskorrespondenten. Jeder zweite berichtet von Schikanen der Polizei.

Drei Journalist:innen bei der Arbeit.

Jour­na­lis­ten am Rande des Nationalen Volkskongresses. Für ausländische Kol­le­gen wird die Arbeit in China immer schwieriger Foto: Andy Wong/ap

BERLIN taz | In der südwestchinesischen Metropole Chengdu protestieren eine handvoll Bürger vor einer Bank gegen den laut örtlichen Medien in Schieflage geratenen Sichuan Trust. Die Demonstranten fühlen sich um ihre Einlagen betrogen und rufen bei ihrem Protest Ende Februar: „Gebt unser Geld zurück“. Als der China-Korrespondent Sjoerd den Daas vom öffentlich-rechtlichen niederländischen Sender NOS mit ihnen sprechen will, wird er von einem Mann und einem Polizisten abgedrängt.

Der Mann, offenbar ein Polizist in Zivil, schubst den gegen seine Behandlung protestierenden Reporter zu Boden. Der hatte vergeblich auf seinen Presseausweis und seine Akkreditierung verwiesen, doch werden ihm Tasche und Mikrofon weggenommen. Danach wird er zu einem Polizeitransporter geführt und mit seinem Kameramann weggefahren.

Auf der Wache werden ihnen Handys und Kamera abgenommen, auch ein Telefonat wird verweigert, wie der Club der Auslandskorrespondenten in China (FCCC) später berichtet. Erst nach Stunden können Beamte des chinesischen Außenministeriums eine Freilassung des NOS-Teams erwirken. Doch danach werden die beiden noch von zahlreichen Fahrzeugen verfolgt und so jedweder Kontakte zur Bevölkerung wie jede unabhängige Berichterstattung verhindert. Dabei haben akkreditierte ausländische Korrespondenten laut chinesischem Gesetz das Recht, mit den Menschen in China zu sprechen, sofern diese selbst nichts dagegen haben.

Das Vorgehen der lokalen Behörden gegen Sjoerd den Daas gehört in China zum Alltag der Auslandskorrespondenten, wie der an diesem Montag veröffentlichte Bericht des FCCC über seine jährliche Umfrage zeigt. Besonders an dem Fall ist nur, dass er gefilmt wurde. Doch in dem FCC-Bericht beklagen 54 Prozent der Befragten Behinderungen durch die Polizei oder andere Behördenvertreter und 37 Prozent Absagen von Interviewpartnern aufgrund von Druck durch offizielle Vertreter.

„Wir hatten in einem Dorf ein sehr erfreuliches Interview mit einer früheren Kindergärtnerin, die jetzt als Altenpflegering arbeitet, berichtet ein europäischer Korrespondent, der anonym bleiben will. „Doch nach dem Gespräch haben uns fünf Zivilpolizisten gestoppt und ein Behördenvertreter zur Rede gestellt. Einige Stunden später bekamen wir einen Anruf von unserer Protagonistin. Sie drohte uns mit einer Gerichtsklage, sollten wir das Interview veröffentlichen.“

Nach Covid Rückgriff auf alte Methoden der Einschüchterung

Im Bericht, der auf einer Umfrage unter seinen 157 Mitgliedern aus 30 Ländern basiert, begrüß der FCCC zunächst, dass mit Abschaffung von Chinas weitgehenden Covid-Restriktionen diese nicht mehr für die Unterdrückung der Berichterstattung herangezogen werden können.

Seitdem griffen die Behörden aber wieder auf andere Methoden zurück. Heute erklärten nur 13 Prozent der Befragten, dass sie wieder wie vor der Pandemie recherchieren könnten. 99 Prozent sagen hingegen, dass die Bedingungen in China kaum oder gar nicht internationalen Standards der Berichterstattung entsprächen.

Der Bericht ist merklich von einer Bemühung um Differenzierung geprägt. Darin stellt der FCCC vereinzelt minimale Verbesserungen für die Arbeit der Korrespondenten fest, beschreibt aber insgesamt eine Tendenz weiterer Verschlechterungen. Insbesondere die Überwachung der ausländischen Journalisten, jetzt zum Teil sogar mit Drohnen, wie auch die Einschüchterungen hätten zugenommen.

Weniger Visa, weniger Journalisten

Die bisherigen Praktiken wie die „Einladungen zum Tee“ durch die Staatssicherheit, also potenzielle Ermahnungen und Einschüchterungen der Journalisten, gebe es weiter. Und mit nur einer Ausnahme sei US-Medien nicht ermöglicht worden, Mitarbeiter auszutauschen oder neue in China zu akkreditieren. 32 Prozent der Korrespondentenbüros beklagten wegen der Verweigerung von Journalistenvisa einen Personalmangel.

Für indische Medien habe überhaupt nur ein einziger Journalist eine Akkreditierung bekommen. Der FCCC beklagt zudem eine Beschränkung von Kurzzeit- und Besuchsvisa für Journalisten.

Recherchen in Tibet, Xinjiang oder in der Inneren Mongolei waren schon immer schwierig bis unmöglich. „Zeitweilig folgten uns sechs Fahrzeuge,“ erzählte ein europäischer Journalist dem FCCC über seine Reise in Xinjiang. Ein anderer berichtete von der westchinesischen Provinz: „Aus Angst um unsere Interviewpartner konnten wir in dem Dorf nicht mehr weiter arbeiten.“

Mehr „sensible Gebiete“

Neu ist laut dem Bericht jetzt aber auch eine verstärkte Überwachung journalistischer Recherchen aus Grenzgebieten zu Nachbarländern. Insbesondere nahe der russischen Grenze berichteten 79 Prozent der Befragten von Problemen. Eine weitere neue Qualität sind Mahnungen an Korrespondenten, ja nicht dem FCCC oder seinem Vorstand beizutreten. Denn dabei handele es sich um eine „illegale Organisation“.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen liegt China derzeit auf der Rang 179 von 180. Nur Nordkorea steht noch schlechter da.

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