Prinzessin Kate und das Foto: Als ginge es um ein Verbrechen

Die Aufregung um den „Photoshop-Fail“ der britischen Königsfamilie ist gewaltig. Das verrät weniger über die Royals und mehr über den Pöbel.

Eine Frau liest in der britischen zeitung "The Sun". Auf dem Titelbild ist ein Foto von Kate Middleton und ihren Kindern abgebildet

Wenn der Boulevard vom Investigativen profitiert Foto: Alexandre Marchi/MAXPPP/dpa/picture alliance

Als am vergangenen Sonntag das erste offizielle Foto von Prinzessin Catherine nach deren OP veröffentlicht wurde, atmete die Welt auf: Endlich ein Lebenszeichen von Kate! Die 42-Jährige hatte sich im Januar einer Unterleibsoperation in einer Londoner Privatklinik unterzogen und war mehrere Tage in stationärer Behandlung. Doch weil in der perfekt durchchoreografierten royalen Show jede Ungereimtheit Misstrauen weckt, schossen im Netz wilde Gerüchte und Verschwörungstheorien ins Kraut: Scheidung, missglückte Schönheits-OP, Krebs. Die Timeline von X las sich zeitweise so, als hätte jemand das Konfetti von Klatschzeitschriften verstreut.

Doch der Versuch des Kensington-Palasts, die Spekulationen mit einem kreuzbraven Familienfoto pünktlich zum britischen Muttertag zu beenden, ging nach hinten los. Nachdem Rechercheure der Nachrichtenagentur AP das Foto genauer inspizierten, stellten sie Unregelmäßigkeiten fest: So franst etwa bei Prinzessin Charlotte der linke Ärmel ihres Strickpullovers seltsam aus. Das Urteil der Faktenchecker: „Bei näherer Betrachtung scheint es, dass die Quelle das Bild manipuliert hat.“

Mehrere renommierte Nachrichtenagenturen zogen daraufhin das Foto zurück. Die Gerüchteküche brodelte weiter: Wurde ein altes Foto aus dem Archiv hervorgeholt und nachkoloriert, um die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen? Hat die Prinzessin etwas zu verbergen? Warum veröffentlicht der Palast nicht das Originalfoto als Beweis? Ist Kate vielleicht doch todkrank?

Ein Fake-Skandal am Hals

Zwar räumte die Princess of Wales die Bildmanipulation ein und bat um Entschuldigung. Sie habe mit einer Bildbearbeitung experimentiert, teilte sie reuig in einem Statement mit. Doch der Fauxpas war nicht mehr zu korrigieren. Das ganze Netz spottet über Kates „Photoshop-Fail“, und der Palast hat einen Fake-Skandal am Hals. „Krimi um Kate! Was will der Palast vertuschen?“, titelte die Bild. Ausgerechnet die Boulevard-Presse, die sonst keine Hemmungen hat, den Royals irgendwelche Storys anzudichten, profiliert sich nun im Investigativ-Journalismus. Schon beim letzten offiziellen Weihnachtsfoto der Royals im vergangenen Jahr hatte es Irritationen gegeben, weil Prinz Louis ein mittlerer Finger fehlte – vermutlich eine Photoshop-Panne, denn das freche Nesthäkchen weiß den Mittelfinger noch nicht standesgemäß einzusetzen.

Nun ist es nichts Ungewöhnliches, dass Bilder von Stars mit Photoshop bearbeitet werden. So hat das Klatschmagazin Grazia bereits 2011 ein Foto von Kate manipuliert, mit dem Effekt, dass diese auf dem Cover dünner wirkte. Was erstaunt, ist die öffentliche Empörung über eine Bildretusche, die gegenüber den KI-generierten Manipulationen von Midjourney und Co. geradezu läppisch wirkt. Da wurden ja nicht, wie bei Deep­fakes, Köpfe auf andere Personen montiert, sondern lediglich ein paar Details aufgehübscht (wenn auch stümperhaft).

Bei einem Klatschmagazin, das die Falten eines Royals glättet, würde niemand den Vorwurf der Täuschung erheben. Umso mehr verwundert die Unnachgiebigkeit eines Publikums, das einerseits von den Windsors absolute Authentizität und Transparenz einfordert, sich aber andererseits an der klebrigen Inszenierung einer schrecklich netten Königsfamilie labt. Diese Doppelmoral verweist auf die Ambiguität der Netzgesellschaft, die noch den Traditionen und Symbolen feudaler Öffentlichkeiten verhaftet ist (Like-Button!), sich aber andererseits in eine moralisch überschießende, radikalaufklärerische Gegenöffentlichkeit entwickelt hat.

Erstaunliche Fälscherkarriere

Das Fake-Foto hat mittlerweile eine erstaunliche Fälscherkarriere hingelegt. Eine computerforensische Analyse der BBC, die den Fall mit kriminalistischem Eifer minutiös rekonstruierte, ergab, dass das Foto ausweislich seiner Metadaten mit einer Canon-Kamera geschossen und zwei Mal an einem Mac-Computer mit Adobe Photoshop bearbeitet wurde: Die erste Version wurde am 8. März 2024 um 21:54 Uhr Londoner Zeit gespeichert, die zweite am 9. März 2024 um 9:39 Uhr.

Als ginge es um ein Verbrechen! Offenbar merkten die Journalisten gar nicht, dass sie mit ihrer akribischen Recherche eine Storytelling-Maschine demontierten, von deren Bildproduktion sie selbst profitieren.

Vielleicht erzählt das Bild weniger über das traurige Dasein der Royals als vielmehr den Illusionismus unserer Zeit, in der, wie der Soziologe Jean Baudrillard schon vor Jahrzehnten anmerkte, die Zeichen ihren Referenten verloren haben. In der Hyperrealität gibt es kein Negativ mehr. Das shakespearehafte Drama, das die Windsors seit Jahrzehnten öffentlich aufführen, ist im Original fast schon unterhaltsamer als die Net­flix-Kopie von „The Crown“, weshalb daran auch andere Wahrheitsansprüche zu stellen sind. Nirgendwo sonst als im selbstreferenziellen System der Prominenz gilt der Grundsatz: Fake it, till you make it.

Dass die Royals das Familienfoto mutmaßlich mit Photoshop aufpolierten, mag im Zeitalter der KI antiquiert wirken, beweist aber auch die Bildmacht des Königshauses, das im Gegensatz zum Hollywood-Kino die Realität in der Postproduction gar nicht mehr groß aufmöbeln muss. Kate und Co. brauchen keine KI. Nur der Pöbel promptet.

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