Privater Entsorger attackiert öffentlichen Entsorger: Der Kampf um den Müll

Der private Entsorger Alba attackiert die landeseigene Stadtreinigung BSR, die mit einer neuen Tonne mehr Wertstoffe sammeln will. Die Konkurrenz schmeckt Alba nicht.

Die Mülltonnensammlung wird erweitert Bild: Reuters

Die Pläne der landeseigenen Stadtreinigung BSR für eine zusätzliche Tonne zur besseren Mülltrennung stoßen auf Widerstand beim privaten Entsorger Alba. "Die Leute wollen nicht noch mehr Tonnen, sondern weniger", sagte Unternehmenschef Eric Schweitzer der taz. Die BSR erprobt derzeit, neben die graue Restmülltonne eine zusätzliche, orangefarbene zu stellen (taz berichtete). Die soll aufnehmen, was wiederverwertbar ist, aber nicht in die normale gelbe Tonne darf und deshalb im Restmüll landet. Alba bietet bereits seit 2004 in Teilen der Stadt die "Gelbe Tonne plus" an, die sowohl Verpackungen mit dem Grünen Punkt aufnimmt als auch weitere Wertstoffe.

Basis des Konflikts ist eine Abfallanalyse der BSR, dass trotz gelber, blauer, brauner und grüner Tonne zu viel Verwertbares in der grauen Tonne landet. Nach Zahlen von Alba, Nummer zwei im deutschen Entsorgungs- und Recyclingmarkt, ließe sich der Restmüll um fast ein Drittel verringern.

Die graue Tonne: Alle festen Abfälle, die sich nicht weiter verwerten lassen, gelten als Restabfall. Sie werden von der BSR abgeholt. Dafür sind Müllgebühren fällig. Sie hängen von der Größe der Tonne ab und gehören im Vergleich mit anderen deutschen Großstädten zu den niedrigsten. Ein großer Teil des Mülls kommt in die Verbrennungsanlage Ruhleben im Berliner Westen, der Rest wird zu Brennstoffen für die Industrie. 2008 kamen in Berlin 1.111.000 Tonnen Hausmüll zusammen.

Die gelbe Tonne: In die gelbe Tonne oder den gelben Sack kommen Verkaufsverpackungen aus Kunststoff, Metall und Verbundmaterial, also Joghurtbecher, Getränkekartons, Alufolien, Dosen. Der private Konzern Alba leert die Tonnen beziehungsweise holt die Säcke ab und macht daraus erneut Kunststoff und Metall. Die Kosten werden mit dem Kauf von Produkten mit dem grünen Punkt bezahlt. 2008 kamen in Berlin 64.836 Tonnen zusammen.

Die blaue Papiertonne: Hier hinein gehören Zeitungen, Zeitschriften, Schreib- und Verpackungspapier, Kartonagen und Pappe. Papier wird von der Berlin Recycling - einer BSR-Tochter -, Alba und drei weiteren Privatfirmen abgeholt. Aus dem Altpapier wird erneut Papier oder Karton. Müllmenge 2008: 171.212 Tonnen.

Die braune Tonne: Sie wird von der BSR abgeholt. Hier lassen sich Ost- und Gemüseabfälle, Nahrungsmittel und Speisereste, verwelkte Blumen, Eierschalen und Gartenabfälle entsorgen. Das Ganze wird kompostiert oder zu Biogas. Eine wöchentliche Leerung kostet zwischen 30 und 36 Euro. Biomüllbilanz 2008: 109.538 Tonnen.

Die grüne Tonne: Leere Flaschen und Gläser kommen nach Farben getrennt zu den Glasabfällen. Nicht dazu gehören Spiegelglas, Fensterglas, Keramik, zerbrochene Trinkgläser, Glühlampen und Spezialgläser. Sie können nicht geschmolzen werden oder haben einen anderen Schmelzpunkt. Glasabfälle entsorgen die BSR-Tochter Berlin Recycling sowie die privaten Rhenus, Alba und Veolia. Dafür müssen die Verbraucher nichts extra bezahlen, weil sie auch hier meist unbewusst an der Ladenkasse für das Grüne-Punkt-System mitbezahlt haben. 2008 wanderten 57.843 Tonnen Glas in die grüne Tonne oder in Sammelbehälter an öffentlichen Straßen oder Plätzen.

KRISTIN RUCKSCHNAT

Denn tatsächlich gar nicht mehr zu verwenden sind nur wenige Dinge wie Windeln, Zigarettenkippen oder Katzenstreu. In der grauen Tonne aber landet vieles mehr. Für Alba-Chef Schweitzer ist beispielsweise paradox, wieso der Joghurtbecher als Verpackung in die normale gelbe Tonne darf, nicht aber eine alte Quietsche-Ente. Die besteht zwar genauso aus Kunststoff, wandert aber derzeit in die Restmülltonne und damit in die Verbrennung. Gleiches gilt etwa für den Blumentopf aus Plastik oder Töpfe und Pfannen.

Unterschiedlich ist die Herangehensweise: Die BSR will die Verbraucher sortieren lassen, was weder in die graue noch in die gelbe, sondern in die orangefarbene Tonne kommt. Alba hingegen, einer jener Entsorger, die im Auftrag des Dualen Systems Deutschland abholen, will den verwertbaren Müll mit dem Verpackungsmüll über die erweiterte Gelbe Tonne abfangen.

"Die BSR greift hier in ein bestehendes und gut funktionierendes System ein", kritisiert Schweitzer. Die Stadtreinigung wiederum sieht sich nicht nur im Recht, sondern in der Pflicht: "Wir machen kein bestehendes System kaputt, sondern kümmern uns um den Müll, für den wir rechtlich verantwortlich sind", sagt BSR-Sprecherin Sabine Thümler. Dabei verweist sie auf die aktuelle Gesetzeslage.

Alba wirft der BSR zudem "Öko-Pfusch" vor: Eine neue Tonne würde zusätzliche Fahrten von Müllfahrzeugen und entsprechend CO2-Ausstoß mit sich bringen. Falsch, meint BSR-Sprecherin Thümler: Wenn etwa eine graue Tonne jede Woche geleert wurde, sei das künftig nur jede zweite nötig; in der jeweils anderen Woche sei die orangefarbene Tonne dran. "Das führt zu keiner zusätzlichen Fahrt", so Thümler.

Sie wehrt sich auch gegen den Vorwurf, der BSR würden die nötigen Recyclinganlagen fehlen und deshalb lande Müll aus der orangefarbenen Tonne am Ende doch in der Verbrennungsanlage: Die BSR schließe derzeit Verträge mit Firmen, die über die nötige Recyclingtechnik verfügen, "alle in Berlin und im Umland".

Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei), zugleich Aufsichtsratschef der BSR, unterstützt die orangefarbene Tonne. Er sieht so laut seinem Sprecher Gebührensicherheit für die Bürger und den klimapolitischen Auftrag der BSR gewährleistet. Zudem sammele die BSR flächendeckend und nicht nur dort, wo es sich lohne.

Die Senatsverwaltung für Umwelt sieht das ähnlich. "Die Gelbe Tonne plus ist sicher eine gute Einrichtung", räumte Staatssekretär Benjamin Hoff (Linkspartei) gegenüber der taz ein. "Doch es ist nicht erforderlich, die private Entsorgungswirtschaft neben den Verpackungsabfällen auch noch für die Erfassung der anderen Wertstoffe aus den privaten Haushalten verantwortlich zu machen."

Die BSR widerspricht zudem dem Vorwurf von Alba, sie habe kein Interesse an weniger Restmüll, weil sonst ihre Verbrennungsanlage nicht mehr ausgelastet sei: "Wir haben derzeit doppelt so viel Müll, wie wir in Ruhleben verbrennen können", sagt Sprecherin Thümler. Was nicht dorthin kommt, werde Brennstoff für die Industrie.

Die jetzt angelaufene zweite Pilotphase der orangefarbenen Tonne betrifft 10.000 Standorte. Ob und wann es die Tonne flächendeckend gibt, ist noch offen. Gleiches gilt für die Frage nach den genauen Kosten für die neue Tonne. Als Größenordnung gibt aber Thümler an: "Deutlich unter denen der grauen Tonne." In einer Sache zumindest stimmen BSR und Alba überein: Von selbst und allein über Verkauf wiederverwerteter Rohstoffe bezahle sich auch das beste Entsorgungssystem nicht.

In die Zukunft gedacht hat laut Thümler auch die BSR genau wie Schweitzer nichts gegen weniger Tonnen: "Es spricht ja auch nichts dagegen, dass das Duale System am Ende eine kommunale Wertstofftonne mitbenutzt."

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