Programm für mehr Bildungsgerechtigkeit: Ampel beendet Gießkanne

Im Bundestag wird über das Startchancen-Programm diskutiert. Die einen sehen darin einen riesigen Erfolg, den anderen geht es nicht weit genug.

Eine Frau hält eine Rede.

Ria Schröder (FDP) spricht im Plenarsaal im Bundestag in der Debatte zur Bildungsgerechtigkeit Foto: Michael Kappeler/dpa

BERLIN taz | Kräfitges Eigenlob: Die Aussprache zu Bildungsgerechtigkeit im Bundestag nutzten die Ampelfraktionen am Donnerstag vor allem dafür, sich selbst auf die Schulter zu klopfen. Das kürzlich beschlossene Startchancen-Programm nannten Abgeordnete der Regierungsfraktionen einen „Paradigmenwechsel“ und das „größte Bildungsprojekt in der Geschichte der Deutschen Bundesrepublik“. Die Opposition mahnte dagegen zu mehr Bescheidenheit.

Vor gut zwei Monaten hatten sich Bund und Länder auf das 20-Milliarden-schwere Startchancen-Programm geeinigt. Das Geld geht an ausgewählte Schulen, teils zur Finanzierung baulicher Maßnahmen, teils aber auch zur freien Verfügung. Ein Chancenbudget soll außerdem genutzt werden können, um mehr Personal einzustellen, besonders im Bereich Schulsozialarbeit. Ziel ist mehr Bildungsungerechtigkeit vor allem an sogenannten Brennpunktschulen.

Ab dem kommenden Schuljahr soll die Initiative an zunächst 1.000 Schulen starten – der Großteil davon Grundschulen. Bis zum Schuljahr 2026/27 soll sie dann auf rund 4.000 Schulen ausgeweitet werden. Für die beschlossene Laufzeit von zehn Jahren teilen sich Bund und Länder die Kosten gleichmäßig.

Erstmals werden die Gelder dabei nicht nur nach dem Königsteiner Schlüssel verteilt, sondern ein neuer Mechanismus genutzt. Bei der Verteilung der Mittel für bauliche Veränderungen werden die Armutsgefährdungsquote, die Quote von Personen mit Migrationshintergrund und das Bruttoinlandsprodukt der Bundesländer miteinbezogen. Das Chancenbudget und das Geld für Personal werden aber wie bisher verteilt.

Union mahnt, frühkindliche Bildung nicht zu vernachlässigen

Die Hilfe soll laut Ampelregierung zielgerichteter als bisher bei den Schulen ankommen, die es am meisten brauchen. „Wir machen Schluss mit der Gießkanne“, betonte Ria Schröder, bildungspolitische Sprecherin der FDP, im Plenum am Donnerstag. Das Programm sei eine Kampfansage an den Bildungsnotstand. Kai Gehring (Grüne) stellte zudem fest, dass der Bildungserfolg bisher noch zu stark von der sozialen Herkunft, dem Geldbeutel der Eltern und der Postleitzahl abhänge. Gerade da soll das Projekt ansetzen. Dies sei „der Anfang einer Bildungswende“ so Gehring.

Kritik kam von der Opposition. Mehrere Red­ne­r:in­nen aus der Unionsfraktion bemängelten, dass das Programm nur zehn Prozent der etwa 40.000 Schulen in ganz Deutschland zugutekommen wird. Es gebe Probleme an allen Schulen im Land, nicht nur in denen, die für das Programm ausgewählt werden, betonte die stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Nadine Schön. Sie forderte gemäßigtere Sprache. „Sonst wecken Sie nur Erwartungen, die Sie nicht erfüllen können“, so Schön in Richtung Ampelregierung.

Auch der Vorwurf, die Ampelregierung vernachlässige die frühkindliche Bildung, kam aus der Unionsfraktion. „Wenn Sie ein Haus bauen, können Sie nicht zuerst die Mauer bauen. Da kommt das Fundament zuerst“, sagte dazu Silvia Breher (CDU) Die Ampel-Abgeordneten hielten dagegen und beschrieben das Startchancenprogramm als Teil einer größeren Bildungs-Strategie, zu dem unter anderem auch das Kita-Qualitätsgesetz und der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung gehören.

Nicole Gohlke von der Gruppe Die Linke bewertete die Bund-Länder-Initiative als eine „vertane Chance“. Es sei unentschuldbar, dass eine demokratische und so reiche Gesellschaft immer noch Bildungsbiografien vererbe. Sie kritisierte in ihrem Redebeitrag am Donnerstag auch, dass nur ein Teil des Geldes nach einem Sozial-Index verteilt wird.

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