Projekt Offshore-Leaks: Der dritte Weg der Enthüllung

Bei Offshore-Leaks wurden Informationen zu Steueroasen über ein Netzwerk von Journalisten verteilt. Diese Praxis offenbart zwei Verlierer: Julian Assange und Wikileaks.

Wikileaks hatte nur das Auge von Assange, beim ICIJ schauen viele MedienvertreterInnen auf die Daten. Bild: dpa

BERLIN taz | Allein die Menge der Daten ist immens. 2,5 Millionen Dokumente sollen dem Projekt Offshore-Leaks zugrunde liegen, das am Donnerstag an die Öffentlichkeit ging. Es zeigt aber auch einen neuen Weg im Umgang mit geheimen Daten.

Die Informanten haben sich nicht wie zuletzt an eine Online-Plattform wie Wikileaks, sondern an eine Journalistenorganisation gewendet: Das International Consortium of Investigative Journalist (ICIJ), einen Zusammenschluss von 160 Journalisten von allen Kontinenten unter dem Dach der US-Organisation Center for Public Integrity (CPI).

Das CPI in Washington beschreibt sich selbst als unabhängig von Staaten, Parteien oder Interessengruppen. Man kämpfe gegen „Machtmissbrauch, Korruption und Pflichtverletzung durch öffentliche und private Institutionen“. Allerdings nimmt es gern das Geld von Milliardären wie dem Hedgefonds-Manager George Soros.

Dennoch könnte der Weg über einen Journalistenzusammenschluss für Informanten und die Öffentlichkeit der derzeit beste sein, wenn es um die Preisgabe riesiger Datenmengen geht. Kein einzelnes Medium bekommt exklusiven Zugang und damit exklusive Veröffentlichungs- und Deutungshoheit. Im aktuellen Fall konnten 47 Redaktionen die Datenflut aufbereiten.

Verlierer sind Verfechter der umfassenden Veröffentlichung aller Informationen – wie sie ursprünglich von Julian Assange und der von ihm gegründeten Online-Plattform Wikileaks propagiert wurde. Denn noch bevor eine Geschichte und ihre Daten den Medien zugänglich gemacht werden, durchleuchtet das ICIJ die Materialien. Sie sind die Torwächter, sie geben das Startsignal an die vielen Rechercheure.

Nerven Richtung Bauchnabel

Ähnliches hatte allerdings auch Assange zuletzt versucht – und sich damit seine Kontakte zu Journalisten verscherzt. Wenn etwa Nick Davies von dem Wikileaks-Gründer spricht, merkt man dem Briten an, wie er alle Nerven Richtung Bauchnabel zusammenziehen muss.

Davies, der Investigativrechercheur des Guardian, hatte im Juni 2010 den Kontakt zu Assange hergestellt. Er hatte mit ihm über die Veröffentlichungsmöglichkeiten der Aufzeichnungen von Soldaten und Geheimdienstlern aus dem Irak- und Afghanistankrieg gesprochen oder besser: gefeilscht. Assange soll ständig neue Medien ins Boot geholt, Absprachen gebrochen – und schließlich angekündigt haben, dass er das ganze Material rauskloppen würde.

Bei dem größten Coup, den im November 2010 veröffentlichten mehr als 250.000 Depeschen aus US-Botschaften, war die Achse Wikileaks–Guardian bereits zerbrochen. Zwar hatte Assange dem Blatt die Unterlagen gegeben, aber nur unter der schriftlichen Zusicherung, diese erst zu veröffentlichen, wenn er das ausdrücklich erlaube. Als der Guardian die Depeschen dann auf anderem Wege zugespielt bekam, verteilte er sie fröhlich nach Gutsherrenart an einige Zeitungen weiter und veröffentlichte dann in einer konzertierten Aktion mit New York Times, Spiegel und anderen. Ohne die Zustimmung Assanges.

Der ist mittlerweile draußen. Daniel Domscheit-Berg, einst Assanges Mitstreiter bei Wikileaks, feierte gestern das neue Projekt: „Das ist das, wo wir hinmüssen: weg vom Hype und hin zu einer professionellen und richtig strukturierten Aufbereitung von Leaks.“

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