Protest gegen Polizeigesetz: Gefährliche neue Spielzeuge

Rund 50 Ak­ti­vis­t*in­nen demonstrieren in Berlin gegen das neue Polizeigesetz. Sie kritisieren vor allem die Anschaffung von Tasern und Bodycams.

Ein Polizist schaltet die Bodycam auf seiner Uniform ein, aufgenommen bei einem Pressetermin zur Ausweitung des Einsatzes von Bodycams bei Berliner Polizei und Feuerwehr.

Die Polizei filmt künftig mit Foto: Monika Skolimowska/dpa

BERLIN taz | „Heute werden wir gleich doppelt verarscht“, ruft der Linken-Abgeordnete Ferat Koçak am Donnerstagmorgen vor den Berliner Abgeordnetenhaus. Trotz der Kälte sind gut 50 Menschen dem Aufruf des „Bündnisses für soziale Sicherheit“ gefolgt, um gegen die Sicherheitspolitik des schwarz-roten Senats zu demonstrieren. „Der Anteil des Polizeibudgets ist in Berlin höher als in New York“, kritisiert Koçak – „und wir alle kennen die Bilder der hochgerüsten US-Polizei“.

Doch die Koalition aus CDU und SPD erhöht nicht nur die Ausgaben für die Polizei. Mit der Novelle des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) erweitert sie auch deren Befugnisse. Der Präventivgewahrsam wird verlängert, Einsätze dürfen mit Bodycams gefilmt werden und statt des Schlagstockes kann der Taser zum Einsatz kommen.

„Taser tötet“ und „ASOG-Verschärfung stoppen“ steht dann auch auf den Plakaten der Demonstrierenden. Sie zweifeln daran, dass Taser, wie behauptet, ein milderes Mittel als Schlagstöcke sind. „Mir ist nicht bekannt, dass es in den letzten Jahren Tote durch den Einsatz von Hiebwaffen gab“, sagt der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Niklas Schrader, der taz. Durch Taser starben in den vergangenen sechs Jahren in Deutschland mindestens acht Menschen.

Die vorangegangene massive Kritik am neuen Polizeigesetz blieb offenkundig nicht ohne Wirkung: Ursprünglich war die Ausweitung der Präventivhaft auch und vor allem auf die Klebeaktionen der Letzten Generation gemünzt. Davon wollte Schwarz-Rot später nichts mehr wissen. Fünf bis sieben statt bisher zwei Tage Haft auf Verdacht und ohne Prozess soll es jetzt nur noch für Menschen geben, bei denen Gerichte Anhaltspunkte für terroristische Straftagen sehen, drohende Tötungsdelikte oder Sexualstraftaten.

Präventivhaft künftig leichter möglich

Doch das neue ASOG setzt auch die Hürden herab, damit die Polizei auf Verdacht Menschen zwei Tage lang einsperren kann. Hier soll es reichen, dass Personen zum Begehen von Ordnungswidrigkeiten aufrufen oder in der Vergangenheit durch Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten aufgefallen sind.

Damit, heißt es von Kritiker:innen, werde es deutlich einfacher, Menschen durch Präventivhaft vom Demonstrieren abzuhalten. Auf der Kundgebung vor dem Abgeordnetenhaus kritisierte eine Rednerin, dass die Entscheidung darüber allein bei der Polizei liege: „Sollen wir uns künftig für jede Demo zwei Tage frei nehmen?“

Deutlich ambivalenter wird der Beschluss bewertet, Po­li­zis­t*in­nen Bodycams an die Westen zu heften. In Teilen der USA haben diese auch dazu beigetragen, Polizeigewalt aufzudecken und zu verfolgen. Doch wie werden diese Daten verarbeitet und gespeichert?

David Kiefer vom „Bündnis für soziale Sicherheit“ kritisiert gegenüber der taz, dass Bodycam-Aufnahmen oft verschwinden würden oder nur geschnittenes Material von der Polizei rausgegeben werde. Während in den USA eine unabhängige Speicherung diskutiert werde und dies teilweise auch schon erfolge, soll das Material in Berlin weiterhin in den Händen der Polizei bleiben.

Was im neuen ASOG ebenfalls fehlt, ist eine Klarstellung, dass auch Bür­ge­r*in­nen Polizeieinsätze filmen dürfen. Oft würde die Polizei Handys von Menschen beschlagnahmen, die sie filmen, kritisiert Kiefer. Zwar hatten in einer Anhörung des Innenausschusses Mitte November auch Experten wie der Jurist Hartmut Aden eine solche Klarstellung gefordert. Übernommen wurde sie freilich nicht. „Die Koalition sieht das Filmen von Polizeieinsätzen als Gefahr“, sagt Linke-Politiker Niklas Schrader.

Taser statt Rettungswagen

Für die Anschaffung von Tasern sind im neuen Haushalt 700.000 Euro vorgesehen. Die Bodycams finanziert die Koalition aus CDU und SPD mit fünf Millionen aus dem „Sondervermögen Infrastruktur der wachsenden Stadt“. Gelder mithin, die im Haus von Innensenatorin Iris Spranger (SPD) an anderer Stelle fehlen werden.

So wurden laut Feuerwehr von 500 beantragten neuen Stellen weniger als 80 genehmigt. Und statt der 100 benötigten neuen Rettungswagen gibt es lediglich 47. Für die Summe, die in Bodycams und Taser investiert wird, ließen sich rund 20 Rettungswagen kaufen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.