Proteste gegen Schleppnetzverbot: Wütende Krabbenfischer

Die EU-Kommission will bestimmte Fangmethoden verbieten. Die Betroffenen fürchten um ihre Existenz und protestieren bei der Agrarministerkonferenz.

Ein Protestbanner mit dem Text ·Grüne Welle brechen - Finger weg von unseren Fanggründen an einem Kutter im Hafen von Büsum

Fischer wollen sich nicht vorschreiben lassen, welche Netze sie auf ihren Kuttern auswerfen Foto: Christian Charisius/dpa

HANNOVER taz | Daran, dass sich vor ihrem Versammlungsort wütend tutende Trecker versammeln, haben sich die Agrarminister vermutlich schon gewöhnt. Dieses Mal kommt allerdings noch wütenderes Tuten von der Seeseite: Dutzende Krabbenkutter haben sich auf den Weg zur Agrarministerkonferenz nach Büsum gemacht. Sie kommen aus fast allen niedersächsischen Krabbenhäfen, auch Kollegen aus den Niederlanden und Dänemark sollen sich angeschlossen haben.

Der Grund: Sie fürchten um ihre Existenz. Der vor einem Monat veröffentlichte „Aktionsplan zur Erhaltung der Fischereiressourcen und zum Schutz der Meeresökosysteme“ der EU-Kommission fordert, ab dem Jahr 2030 in Meeresschutzgebieten keine Grundschleppnetze mehr einzusetzen.

Für die deutschen Krabbenfischer käme das einem Berufsverbot gleich, sagt etwa der Landesfischereiverband Weser-Ems. 70 Prozent der Fanggründe liegen in den Nationalparks und Natura-2000-Schutzgebieten.

Zumindest bei den Agrarministern der betroffenen Nordländer Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen rennen die Fischer mit ihrem Protest längst offene Türen ein. Selbst Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) ließ schon verlauten, dass ihm das pauschale Verbot von Grundschleppnetzen zu weit gehe.

Schleppnetze sind umstritten

Das wiederum kritisieren Umweltverbände wie WWF und Nabu. „Jetzt rächen sich die Jahre der Tatenlosigkeit. Wie beim Klimaschutz braucht es nun drastische Maßnahmen“, erklärte etwa Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger in einer Mitteilung. Die Kritik der Verbände ist seit Langem, dass die Grundschleppnetze nicht nur unerwünschten Beifang einsammeln, sondern auch wertvolle Brut- und Laichgründe, Riffe, Seegraswiesen, Muschelbänke und klimarelevante Schlickgründe zerstören.

Aus Sicht der Fischer ist das unfair, sie haben in den vergangenen Jahren – vor allem rund um die MSC-Zertifizierung für nachhaltige Fischerei Ende 2017 – in Methoden zur Reduktion des unerwünschten Beifangs investiert. Außerdem glauben sie, dass ihre Fangmethode (in der Nord- und Ostsee wird überwiegend mit beutelartigen Baumkurren gefischt) den Meeresboden weit weniger aufwühlt als die mit schweren Ketten versehenen Grundschleppnetze, die früher im Einsatz waren.

Hinderlich für zukunftsweisende Investitionen ist allerdings die Struktur der deutschen Krabben- und Muschelfischerei. Es handelt sich meist um Familienbetriebe, die sich wegen magerer Fangjahre, der eingeschränkten Verarbeitungsmöglichkeiten in den Coronajahren und der gestiegenen Dieselpreise ohnehin unter erheblichem wirtschaftlichen Druck sehen und kaum noch Reserven haben. Außerdem schränken Windparks, Kabeltrassen und LNG-Terminals die Fanggebiete zusehends ein.

Wie schädlich genau die intensive Befischung für den Meeresboden in Nord- und Ostsee ist, soll ein umfangreiches Forschungsprojekt im Auftrag des Bundesforschungsministeriums klären – das geht allerdings davon aus, dass die Grundschleppnetze zumindest in Teilgebieten verboten werden.

Möglicher Kompromiss ist noch unklar

Aus Konsumentensicht gibt es bei Krabben und Garnelen ohnehin selten eine gute Wahl: Abgesehen von den geringen Mengen, die von nostalgisch gestimmten Touristen direkt am Hafen gepult werden, wird immer noch der größte Teil der Nordseekrabben per Lkw zum Pulen nach Marokko geschafft. Auch wenn das Land Niedersachsen gerade ein hoffnungsvolles Innovationsprojekt sponsert, um dies zu ändern. Ein Großteil der in Deutschland verzehrten Garnelen kommt allerdings aus Aquakulturen in Asien und Südamerika, die ökologisch ebenfalls oft höchst bedenklich sind.

Die große Frage bleibt, wie ein möglicher Kompromiss aussehen könnte. Erste Stellungnahmen der norddeutschen Agrarminister deuten darauf hin, dass man auf eine differenziertere Betrachtung von Fangmethoden oder einzelnen Gebieten drängen wird. Auf EU-Ebene ist der Aktionsplan ebenfalls in der Diskussion, eine Verabschiedung könnte frühestens im Sommer erfolgen.

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