Provo-Film vor G20-Gipfel: Der Ruf zum Tyrannenmord

Das heizt die Stimmung nochmal an: Vor dem G20-Gipfel ruft das Zentrum für Politische Schönheit indirekt zum Mord an Diktatoren auf.

Plakat auf dem steht Tötet Erdogan

Ist das noch Kunst? Screenshot: Youtube/Zentrum für Politische Schönheit

HAMBURG taz | Nächste Eskalation vor dem G20-Gipfel in Hamburg: Mit einer neuen provokanten Kunstaktion ruft das umstrittene „Zentrum für Politische Schönheit“ zum Tyrannenmord in Hamburg auf. In einem brachialen Video, das seit Dienstagmorgen auf YouTube zu sehen ist, ruft die Berliner Künstlergruppe zum „Tod der Diktatur“.

In dem Film sind unter anderem Transparente mit der Aufschrift „Tötet Erdogan“ zu sehen. An einer anderen Stelle wird ein rotes Banner gezeigt, das über einer Straße gehisst wurde. Darauf steht: „Welcome to Hamburg, Dictator Putin!“ Daneben hängt an einem Laternenpfahl ein aufgehängter Mensch. In anderen Szenen halten Demonstranten Transparente in die Luft, auf denen „Tod und Frieden“ oder „Kopfschuss“ steht.

Im weiteren Verlauf des Films wird ein Szenario entworfen, dass vom Tod von Regierungschefs ausgeht, die am Freitag und Samstag in Hamburg zum bevorstehenden und heiß umkämpften G20-Gipfel erwartet werden. So zeigt das Video einen vermeintlichen Flugzeugabsturz Wladimir Putins und eine Dioxinvergiftung des saudischen Königs.

Eine Sprecherin behauptet in dem Video: „Das Auswärtige Amt hat mittlerweile eine Reisewarnung für die Staatschefs autokratischer Regime herausgegeben. Hintergrund sei eine bis zum äußersten aufgestachelte Zivilgesellschaft, die auf Rache für die Opfer totalitärer Diktaturen sinnt.“ Eine vermeintliche Stiftungsexpertin sagt: „Der Tyrannenmord ist immer das letzte Mittel gegen eine verbrecherische Diktaktur.“

„Jetzt ist es an uns“

Das Video endet mit einem Logo, das dem offiziellen G20-Logo nachempfunden ist – der Slogan allerdings: „G20 Tyrannenmord 2017“. Eine Off-Stimme sagt: „Jetzt ist es an uns, unsere Demokratie und Humanität zu verteidigen. Die Bundesregierung bittet sie, nicht unvermittelt über unsere Gäste herzufallen.“

Das Kunstprojekt heizt die ohnehin schon aufgeheizte Stimmung weiter an und dürfte dementsprechend in den kommenden Tagen noch für Debatten sorgen. Der Film wird zu einem Zeitpunkt veröffentlicht, in dem sich die autonome Szene auf zahlreiche militante Aktionen vorbereitet und den anreisenden Regierungsgästen einen „Empfang in der Hölle“ versprochen hat. Die autonome Szene hofft für Donnerstag auf den „größten schwarzen Block Europas“.

Die Polizei, die mit rund 20.000 Beamten im Einsatz ist, bereitet sich seit Monaten auf mögliche Ausschreitungen vor und geht mit massiven Repressionen gegen geplante Protestcamps in Hamburg vor. Unter gehen in diesem Szenario die zahlreichen friedlichen Proteste, die ebenfalls in den kommenden Tagen geplant sind.

Ein Video, das zur Stimmung passt

Mit dem Video der Künstlergruppe, das als Affirmation daher kommt, aber in kritischer Lesart auch eine Debatte über den Umgang von Demokratien mit Autokraten und Diktatoren anregen kann, entwerfen die Kunstaktivisten ein umfassendes Krawall- und Terrorszenario, von dem bisher selbst die militantesten G20-Kritiker nicht träumten.

Bereits in der Vergangenheit hatte das Zentrum für politische Schönheit immer wieder mit seinem brachialen kunstaktivistischen Ansatz und zahlreichen Grenzüberschreitungen für Aufsehen gesorgt. Anlässlich des 25. Jahrestages des deutschen Mauerfalls stahl die Gruppe im November 2014 Gedenkkreuze am Deutschen Bundestag, die dort an die Mauertoten erinnern sollten, und bildete Flüchtlinge vor Europas Außengrenzen mit ihnen ab. Im Juni 2015 beerdigte das Zentrum in Berlin unter großer öffentlicher Aufmerksamkeit nach eigener Aussage eine auf ihrer Flucht nach Europa ertrunkene Frau, die das Zentrum zuvor in Italien exhumiert haben will.

Erst in der vergangenen Woche sorgten Kunstaktionen in der Türkei für Aufmerksamkeit. Unter anderem hatte die Gruppe dort einen ferngesteuerten Drucker an einem geöffneten Fenster postiert, aus dem automatisiert Flugblätter ausgedruckt und auf die Straße geweht wurden. Inhalt: „Tod dem Diktator“.

Zahlreiche Beobachter aus verschiedenen politischen Lagern warfen der Gruppe vor, in einer Zeit der Eskalation weitere Eskalation zu betreiben. Die Gruppe verteidigt sich dagegen mit dem Verweis auf die Kunstfreiheit – und testet regelmäßig deren Grenzen aus. Die jetzige Aktion ist Teil einer umstrittenen Kampagne unter dem Motto „Scholl 2017“, mit der die Gruppe an den Widerstand der Geschwister Scholl unter der Nazi-Diktatur erinnern und daran anknüpfen will.

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