Prozess wegen Anschlagsplanung: Der höfliche Islamist

Der Prozess gegen einen 21-jährigen Islamisten steht kurz vor dem Urteil. Der Hamburger soll einen Anschlag zum Jahrestag von 9/11 geplant haben.

Ein Mann in einem Gerichtssaal hält sich ein Papier vors Gesicht

Schweigt vorm Hamburger Landgericht: der Angeklagte Adburrahman C Foto: Daniel Bockwoldt/ dpa

HAMBURG taz | Die Frage am Ende dieses Prozesses lautet: Ist der 21-Jährige Adburrahman C. nach Jugendstrafrecht zu verurteilen? Ist C., wie sein Anwalt in seinem Plädoyer am Mittwoch sagt, reifeverzögert, ein Heranwachsender, der sich nicht von seinen Eltern abgenabelt hat, ohne eine eigenständige Zukunftsplanung? Oder ist C., wie es die Bundesanwaltschaft darstellt, ein selbstständiger junger Mann, der zielgerichtet und konspirativ einen Sprengstoffanschlag geplant hat, um möglichst viele Ungläubige zu töten?

Von C. ist im Prozess dazu nichts zu erfahren, er schweigt. Wäre es nach ihm gegangen, wäre die Öffentlichkeit vom Verfahren ausgeschlossen worden. Denn Themen wie seine Familie und seine religiösen Auffassungen empfinde er als zu intim für die Allgemeinheit, erklärt sein Anwalt. C. ist ein junger Mann in Sweatshirt, mit weichem Gesicht, der lächelt, wenn ihn die Justizvollzugsbeamten abführen. Als höflich und freundlich beschreibt ihn die Psychologin der Untersuchungshaftanstalt: Anders als andere Islamisten habe er mit ihr gesprochen.

Höflichkeit ist kein Indiz für oder gegen eine Reifeverzögerung, sie steht auch nicht im Widerspruch zu dem, was die Staatsanwaltschaft als Indizen für C.s Radikalisierung zusammengetragen hat. Das sind vor allem Hinrichtungsvideos, die er sich auf seinem Laptop angesehen hat, Reden von Osama Bin Laden, die er angehört, und Suchanfragen, die er gestellt hat: zu Jungfrauen im Paradies, zur religiösen Legitimation von Anschlägen.

C. ist der älteste Sohn eines Marokkaners und einer Deutschen, die zum Islam konvertierte. Beide Eltern sind Akademiker. Die Familie ging 2013 nach Marokko, 2021 kehrte C. nach Hamburg zurück und begann ein Studium in Wismar.

Die Mutter verweigert die Aussage

Ihr Sohn sei „nicht streng religiös“ erzogen, lediglich die Gebets- und Fastenzeiten habe er einhalten sollen, sagt seine Mutter in einem Telefonat mit dem Sozialpädagogen der Jugendgerichtshilfe. Sie sei „aus allen Wolken gefallen“ angesichts der Anklage gegen ihn. Doch die Bundesanwaltschaft überzeugt das nicht – umso weniger, als die Mutter vor Gericht nicht aussagen will.

Der späte Anruf, so glaubt es der Bundesanwalt, solle nur der Jugendgerichtshilfe Argumente liefern, C. nach Jugendstrafrecht zu verurteilen. Genauso wenig glaubt der Bundesanwalt, dass der Vater, mit dem C. per Chat dschihadistisches Material ausgetauscht hat, nicht zur Radikalisierung seines Sohnes beigetragen habe. Aber das ist nur ein Nebenschauplatz.

Verteidigung und Anklage sehen völlig unterschiedliche Personen

Unbestritten sind die Details der Anschlagsvorbereitungen: C. hat im Internet die Zutaten für einen Sprengsatz bestellt und im Darknet nach einer halbautomatischen Pistole und Handgranaten gesucht. Nach einem Hinweis US-amerikanischer Ermittler bietet sich ihm ein verdeckt ermittelnder Polizeibeamter als Waffenhändler an. Auf die Frage, was er mit den Waffen vorhabe, schreibt C.: „Nix Schlimmes.“ Bei der vereinbarten Übergabe auf einem Parkplatz in Hamburg wird er verhaftet. C.s Hände hätten gezittert, sagt der Ermittler vor Gericht.

C. betritt mit seinen Plänen Neuland, könnte man sagen, und er betritt es mit einer Energie, die ihm in seinem Studium fehlt. Er entwirft ein Erpresserschreiben an eine Biomarktkette, das er nicht abschickt, er recherchiert im Netz zu Überfällen auf Juweliere, zum Töten mit Messern, zum Töten von Polizisten und Fluchtwegen nach Syrien. Dabei ruft er seine Eltern täglich an. In einem Chat schreibt ihm die Mutter, dass er bald Kindergeld beziehen werde. Damit könne er Handgranaten kaufen, antwortet der Sohn. Besser Küchenmesser und Handschuhe, schreibt die Mutter.

Die Anklage sieht keine Reue

Die Bundesanwaltschaft wirft C. vor, zum Jahrestag von 9/11 durch die Kombination von Sprengsatz und Schusswaffe möglichst viele Menschen gleichzeitig töten zu wollen. Darum sei es nicht gegangen, widerspricht C.s Anwalt, schließlich sollte der Sprengsatz ferngezündet werden.

Noch jetzt, da C. in Untersuchungshaft ist, sehen Anklage und Verteidigung völlig unterschiedliche Personen: Die Anklage einen jungen Mann, der keine Reue zeigt, der seinen Bruder davor warnt, zu offen mit ihm zu kommunizieren. Der Verteidiger verweist dagegen auf einen Brief an die Familie, in dem C. schreibt, die Dinge wieder gutmachen zu wollen. C. habe Bereitschaft gezeigt, an einem Deradikalisierungsprogramm teilzunehmen.

Der Anwalt hat eine Haftstrafe zwischen zweieinhalb und drei Jahren beantragt; der Bundesanwalt bereits am Dienstag eine Strafe von sieben Jahren. Am Freitag wird das Hamburger Landgericht in seinem Urteil verkünden, welchen Adburrahman C. es erkannt hat.

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