Radrowdies auf Berlins Gehwegen: Das Rollen neben der Straße

Auf dem Gehweg Fahrrad fahren? Aber das machen doch alle! Ein flottes und unbekümmertes Rollen – unsere Kolumnistin hat das sowas von satt.

Ein Mann kreuzt mit einem E-Tretroller einen Fahrradfahrer

Die normale Berliner Gehweg-Perspektive: Von überall her rollt's einem munter vor die Füße Foto: Christoph Soeder/dpa/picture alliance

Regelmäßige Le­se­r*in­nen meiner Kolumne mögen sich schon gefragt haben, warum ich als Fußgängerin denn noch gar nichts über das Problem der Fahrradfahrenden auf dem Gehweg geschrieben habe.

Das liegt daran, dass ich es so furchtbar satthabe: Ich habe es satt, dass Rad­le­r*in­nen mich in rasantem Tempo umfahren, wenn sie auf der vollen Straße in ihrem Tempo gerade nicht weiterkommen und den Gehweg als Ausweichspur betrachten, und ich habe es ebenso satt, wenn sie das abends im Dunklen tun, weil das Licht an ihrem Rad mal wieder nicht geht und zwischen den Autos ja ihnen etwas passieren könnte. Ich habe es satt, dass Radler freihändig eiernd an mir vorbeifahren, weil sie gerade eine Nachricht auf dem Handy schreiben wollen. Ich habe es satt, wenn eine Gruppe von Tou­ris­t*in­nen auf E-Bikes mir in voller Breite entgegenkommt, weil ihnen irgendein Fahrradverleiher angeblich erklärt hat, in Berlin dürfe man auch auf dem Gehweg Fahrrad fahren, „dooooch! Ganz bestimmt, das darf man! Machen doch alle!“

Ja, genau.

Und ich habe es vor allem satt, wenn mir mal wieder irgendein Blödmann auf dem Rad auf dem Gehweg beim Vorbeirasen so ein herablassend gedehntes „Jaaajaaa …“ zuwirft, wenn ich ihn frage, was denn gegen den breiten, mit Plastikpollern gesicherten Radweg einzuwenden sei, der direkt neben dem Bürgersteig verläuft. Denn es ist dies das überhebliche „Jaja“ derjenigen, die eigentlich denken: „Zeter du nur, mit euch räumen wir auch noch auf!“ Und es verwundert, verletzt und beschämt mich aus verschiedenen Gründen.

Es verwundert mich, weil ich denke, dass Rad­fah­re­r*in­nen doch manchmal wohl auch zu Fuß gehen müssen und dabei selbst erleben, wie gefährlich es ist, auf dem Gehweg schnell Rad zu fahren, übrigens ja auch für die Radfahrenden!

Es verletzt mich, weil ich als zu Fuß Gehende in der vollen Großstadt, in der auch der öffentliche Raum ein Luxusgut geworden ist, ebenso wie alle anderen Ver­kehrs­teil­neh­me­r*in­nen gesehen und akzeptiert werden, Raum und Rechte haben will. Ich bitte um Entschuldigung, aber es muss doch auch dem dümmsten Fahrradfahrer klar sein, dass nicht je­de*r je­de*r­zeit Fahrrad fahren kann oder will (irgendwann zum Beispiel auch er selber auf Krücken nach dem Zusammenstoß mit einer Fußgängerin …). Nein, uns Fuß­gän­ge­r*in­nen werdet ihr nicht los, andersherum wird ein Schuh daraus: Ihr werdet alt und/oder krank und den Gehweg zu Fuß benutzen müssen, und dann wollen wir mal sehen, wer zetert!

Ich will das nicht sein

Und da sind wir beim dritten Punkt, dass es mich beschämt – denn ich will ja gar nicht so sein! Ich will keine zeternde Alte sein, die Rad­rowdies auf dem Gehweg „Arschloch“ hinterherruft (ja, leider schon passiert, sorry!), und ich bin mir selber peinlich, wenn ich im Internet nachschaue, was „Fahrrad schieben“ auf Englisch heißt („push your bike“), damit ich auch ausländischen Tou­ris­t*in­nen korrekte Auskunft geben kann.

Ich bin einfach nur Fußgängerin: kein starres Hindernis, sondern ein bewegliches Subjekt, das auf dem Gehweg mal plötzlich nach rechts geht, um die Straße zu überqueren, mal nach links schlendert, um in ein Schaufenster zu schauen, mal im Zickzack überholend unterwegs ist, weil sie es eilig hat, mal kurz stehen bleibt, um mit Bekannten zu plaudern. Und die das darf. Ja, sie darf das. Und jetzt ist auch genug gezetert.

(Moment noch: Allen Radfahrer*innen, die nun fiese Kommentare unter diese Kolumne schreiben wollen, rufe ich jetzt schon zu: „Jaajaa …! Schiebt einfach ab.“)

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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